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Wer hat Angst vor den NGOs? (Teil 1)

23.03.2021, Internationale Zusammenarbeit

Die Konzernverantwortungsinitiative ist im November knapp am Ständemehr gescheitert, die konservativen Wirtschaftsverbände konnten aufatmen. Trotzdem kam die Retourkutsche: Chronik eines politischen Angriffs auf die Nichtregierungsorganisationen.

Kristina Lanz
Kristina Lanz

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Wer hat Angst vor den NGOs? (Teil 1)
Schriftliche Zulassungsprüfung an der HSG St. Gallen für ausländische StudienbewerberInnen. Auch die Schweizer Zivilgesellschaft kommt auf den Prüfstand, obwohl sie den Demokratie-Test schon längst bestanden hat.
© Ennio Leanza / Keystone

Noch selten hat eine Volksinitiative für so viel Furore gesorgt wie die Konzernverantwortungsinitiative (KVI). Schon Monate, gar Jahre vor der Abstimmung stand sie immer wieder in den Schlagzeilen und war auch dank der orangen Fahnen und der vielfältigen Aktivitäten zahlreicher Lokalkomitees bei der Bevölkerung sehr präsent. Zum ersten Mal in der Schweizer Politgeschichte zog eine breit abgestützte Koalition aus 130 NGOs, zahlreichen KirchenvertreterInnen, WirtschaftsvertreterInnen, ParlamentarierInnen aus allen politischen Parteien sowie Tausenden von Freiwilligen am gleichen Strick. Auch wenn die Initiative schlussendlich am Ständemehr scheiterte, zeigte sie doch, was die Zivilgesellschaft und allen voran die NGOs erreichen können, wenn sie ihre Kräfte bündeln. Was eigentlich als positives Zeichen einer lebendigen Demokratie und einer interessierten Bevölkerung gedeutet werden könnte, scheint jedoch nicht allen zu passen.

Liberale wollen Politikverbot für NGOs

Schon bevor es zur Abstimmung kam, reichte Ruedi Noser (FDP-Ständerat und KVI-Gegner der ersten Stunde) eine Motion ein, mit der er den Bund beauftragte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung bei gemeinnützig tätigen Organisationen (sprich NGOs), die sich politisch engagieren, noch gegeben seien oder ob die Steuerbefreiung andernfalls aufzuheben sei. Der Bundesrat beantragt allerdings in seiner rechtlich fundierten Antwort die Ablehnung dieser Motion. Er hält fest, welche Tätigkeiten als das Gemeinwohl fördernd gelten, namentlich «die soziale Fürsorge, die Kunst und Wissenschaft, der Unterricht, die Förderung der Menschenrechte, der Heimat-, Natur- und Tierschutz sowie die Entwicklungshilfe». Gleichzeitig zeigt er auf, dass sich bei «steuerbefreiten Organisationen auch Schnittstellen zu politischen Themen ergeben (so z. B. bei Umweltorganisationen, Behindertenorganisationen, Gesundheitsorganisationen, Menschenrechtsorganisationen etc.)». Der Bundesrat hält zudem fest, dass «die materielle oder ideelle Unterstützung von Initiativen oder Referenden einer Steuerbefreiung grundsätzlich nicht entgegenstehen». Die Motion wird nun zuerst in der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) diskutiert, bevor sie im Ständerat wieder aufgenommen wird.

Nach der KVI-Abstimmung ging ein Sturm im Parlament los, und es hagelte eine Reihe von Fragen, Interpellationen, Postulaten und Motionen, die allesamt die politische Rolle der NGOs in Frage stellen. So verlangt etwa Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP) in einem Postulat vom Bundesrat einen Bericht zur Frage, welche NGO-Tätigkeiten mit welchen Mitteln auf Basis welcher gesetzlichen Grundlage finanziert werden und welche politischen VertreterInnen in den Steuerungsorganen Einsitz nehmen. Begründet wird ihr Vorstoss damit, dass sich «Entwicklungshilfeorganisationen immer mehr mit entwicklungspolitischen Forderungen im Inland, statt mit konkreter Entwicklungshilfe im Ausland beschäftigen». Eine Motion von Nationalrat Hans-Peter Portmann (FDP) verlangt vom Bundesrat die Überprüfung der staatlichen Unterstützungen an Projekte der internationalen Zusammenarbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich an politischen Kampagnen beteiligt haben, und diese Unterstützung bei Bedarf einzustellen.

Eine kritische Diskussion über die politische Rolle von wirtschaftsnahen Verbänden und Think Tanks, die als nicht-staatliche Akteure eigentlich ebenfalls zu den NGOs gehören, soll mit diesen Vorstössen anscheinend vermieden werden. Es ist darum ausdrücklich nur von NGOs im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit die Rede. Nur: Die politische Arbeit der NGOs mit Geldern der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) war schon immer vertraglich ausgeschlossen. Es macht Sinn, dass der Bund keine Steuergelder in politische Kampagnen stecken will – ein generelles Politikverbot für NGOs, die Bundesgelder erhalten, wäre aber ebenso absurd wie höchst problematisch.

(weiter zum Teil 2)

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