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Wirksamkeit im Fokus
19.03.2023, Internationale Zusammenarbeit
Die Schweiz hatte von 2019 bis 2022 den Co-Vorsitz der «Globalen Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit» (GPEDC) inne. Als Höhepunkt fand vom 12. bis 14. Dezember 2022 in Genf ein internationales Gipfeltreffen statt.
Die Globale Partnerschaft wurde 2011 in Busan (Südkorea) gegründet und hat zum Ziel, «die Wirksamkeit aller Formen der Entwicklungszusammenarbeit zum gemeinsamen Nutzen der Menschen, des Planeten, des Wohlstands und des Friedens zu maximieren». Ihre Struktur ist einzigartig: Während in anderen Gremien vor allem Ländervertretungen miteinander diskutieren, bringt die GPEDC neben Minister:innen auch Parlamentarier:innen, Vertreter:innen von Lokalregierungen, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Stiftungen und Gewerkschaften sowie bilaterale und multilaterale Entwicklungsorganisationen aus insgesamt 161 Ländern zusammen. Gemeinsam führen sie den Dialog über effektive Entwicklungszusammenarbeit, verfassen Richtlinien und Empfehlungen. Die GPEDC überprüft regelmässig, ob sich alle Seiten an die Grundsätze wirksamer Entwicklungszusammenarbeit halten.
Aber was tut sich wirklich?
Während sich am Genfer Gipfeltreffen alle einig zu sein schienen, dass die vereinbarten Prinzipien der effektiven Entwicklungszusammenarbeit (EZA) auch heute noch von zentraler Bedeutung sind, hapert es leider in der Umsetzung, wie verschiedene Redner:innen am Gipfeltreffen betonten. Raj Kumar, CEO vom Informationsportal Devex, rief beispielsweise das erste Treffen der GPEDC in Busan in Erinnerung, das eine komplette Transformation des Entwicklungssektors anstrebte – von top-down-geplanter, projektbasierter hin zu bottom-up-organisierter, systemischer EZA – und bemängelte den fehlenden Fortschritt.
Gerade im zentralen Bereich der Country Ownership ist der Trend gemäss der letzten GPEDC-Monitoring-Runde rückläufig; während mehr Empfängerländer ihre eigenen Entwicklungsstrategien definieren und ihre administrativen Systeme zur Erreichung ihrer Entwicklungsziele gestärkt haben, geht die Nutzung nationaler Systeme durch Geberländer zurück. Auch eine Analyse der offiziellen Daten des OECD-Entwicklungsausschusses (OECD DAC) zeigt, dass im Jahr 2020 nur etwa ein Drittel aller Entwicklungsgelder von Regierungen, privaten Unternehmen oder NGOs aus den Partnerländern verwaltet wurde. Der Rest der Gelder wurde von Regierungen, NGOs und privaten Firmen aus den Geberländern sowie von multilateralen Institutionen verwaltet.
Eine weitere Herausforderung betrifft die zunehmende Fragmentierung der Entwicklungslandschaft, die in einer kürzlich veröffentlichten Studie der Weltbank, die ebenfalls am GPEDC-Gipfeltreffen vorgestellt wurde, zum Ausdruck kommt. Sie kommt zum Schluss, dass zwischen 2000 und 2020 die Anzahl offizieller Entwicklungsakteure (bilaterale und multilaterale Entwicklungsorganisationen, Entwicklungsbanken etc.) von 212 auf 544 angestiegen ist, während der finanzielle Umfang einzelner Transaktionen um ein Drittel gesunken ist. Für Empfängerländer bedeutet dies, dass sie heute im Schnitt mit 150 verschiedenen Agenturen im Kontakt sind (in Äthiopien sind es gar über 200 Agenturen). Dies bedeutet nicht nur einen hohen Verwaltungsaufwand für die Empfängerländer (insbesondere da die meisten Geber ihre Transaktionen nicht über die nationalen Systeme abwickeln, sondern ihre jeweils eigenen administrativen Anforderungen stellen), sondern stellt auch für die Geber untereinander ein grosses Koordinationsproblem dar.
Während sich die Entwicklungslandschaft weiter fragmentiert, scheint ein rhetorisch immer wieder stark gehypter Player – der Privatsektor – allerdings grösstenteils abwesend zu sein. So zeigte etwa Raj Kumar auf, dass 2019 nur etwa 2% aller Entwicklungsgelder in sogenannte «neue und innovative Finanzierungsinstrumente» zur Zusammenarbeit mit dem Privatsektor flossen. Und auch in Genf war kaum ein:e Privatsektorvertreter:in anzutreffen. Mit den vom GPEDC erarbeiteten Kampala-Prinzipien wäre die Grundlage für eine gewinnbringende Zusammenarbeit mit dem Privatsektor gelegt.
Neues Momentum oder leere Worte?
Die Konferenz in Genf endete mit der Verabschiedung einer breit abgestützten 15-seitigen Erklärung. Das Dokument identifiziert nicht nur die vielfältigen globalen Krisen, mit denen sich die Welt aktuell konfrontiert sieht – von der Klimakrise über die zunehmende Autokratisierung und den damit einhergehenden Shrinking Space bis hin zur sich abzeichnenden Schuldenkrise –, sondern geht auch auf den Wandel und die zunehmende Fragmentierung des aktuellen Entwicklungssystems ein. Gleichzeitig werden verschiedene internationale Versprechungen erneuert – unter anderem das Versprechen, mindestens 0.7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die internationale Zusammenarbeit (IZA) bereitzustellen – und die Erklärung mit neuen Versprechen ergänzt; mit dem gemeinsamen Bestreben, gegen Korruption, unlautere Finanzflüsse und Shrinking Space vorzugehen, oder die gesamte IZA stärker auf die ärmsten und vulnerabelsten Zielgruppen auszurichten (gemäss dem Prinzip Leave No-One Behind).
All dies hört sich wunderbar an, aber der Welt mangelt es nicht an schönen Worten und Deklarationen – wie Susanna Moorehead, die Vorsitzende des OECD-Entwicklungsausschusses, passend sagt: «Wenn wir es ernst meinen mit der effektiven Entwicklungszusammenarbeit, sollten wir damit anfangen, unsere Empfehlungen umzusetzen.» Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist zumindest das ebenfalls am GPEDC-Gipfeltreffen verabschiedete neue Monitoring-Framework, das den Empfängerländern dabei helfen soll, die Umsetzung der Effektivitätsprinzipien klarer zu messen. Gleichzeitig werden neu auch Profile der Geberländer erstellt, welche aufzeigen, wie diese die Prinzipien in ihre IZA integrieren. Auch die Effektivität der in der IZA vermehrt genutzten Privatsektor-Instrumente soll (gemäss den Kampala-Prinzipien) stärker gemessen werden. Welches Momentum diese Neuerungen entfalten werden und ob sie dazu beitragen können, die etablierte IZA effektiver zu gestalten, bleibt abzuwarten.
Eine Chance für die Schweiz?
Trotz GPEDC-Vorsitz und Konferenz in Genf scheinen die Wirksamkeitsprinzipien bisher auch in der Schweiz ein Schattendasein zu fristen. Die aktuelle Strategie der Internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 des Bundes erwähnt weder die Globale Partnerschaft noch die Prinzipien der effektiven Entwicklungszusammenarbeit und auch in der generellen Kommunikation von DEZA und SECO glänzen sie grösstenteils durch Abwesenheit. Die baldige Verabschiedung der neuen Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 bietet eine erste Gelegenheit, den schönen Worten aus Genf konkrete Taten folgen zu lassen und die gesamte IZA (inklusive die neuen Privatsektor-Instrumente) an den Wirksamkeitsprinzipien auszurichten sowie die ärmsten und gefährdetsten Menschen konsequent ins Zentrum der Debatte zu stellen.
Die vier Prinzipien der effektiven Entwicklungszusammenarbeit
a) Verantwortung für die Entwicklungsprioritäten bei den Empfängerländern (country ownership): Jedes Land sollte seine eigenen Entwicklungsprioritäten definieren, an denen sich alle Entwicklungsorganisationen orientieren. Entwicklungsorganisationen nutzen wo immer möglich länderspezifische Systeme für die Auftragsvergabe und die Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Entwicklungsgelder sollen nicht an Bedingungen geknüpft werden, die Firmen, Güter oder Dienstleistungen der Geberländer bevorzugen (tied aid).
b) Ergebnisorientierung: Alle Entwicklungsaktivitäten sollen zur Armutsreduktion, zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und zur Stärkung der Kapazitäten der Entwicklungsländer beitragen. Dabei sollen sie sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren und die regelmässige Wirkungsmessung fördern, wobei auch der Zugang zu qualitativ hochstehenden Daten eine wichtige Rolle spielt.
c) Inklusive Entwicklungspartnerschaften: Entwicklungszusammenarbeit soll einen Whole-of-Society-Ansatz verfolgen und wo immer möglich verschiedene Akteur:innen miteinbeziehen und zusammenbringen (Regierungen, Parlamente, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft, Wissenschaft etc.).
d) Transparenz und gegenseitige Rechenschaftspflicht: Sowohl Geber- wie auch Empfängerländer verpflichten sich zu transparenter Kommunikation über Geldflüsse und Entwicklungsresultate, wobei insbesondere den nationalen Parlamenten sowie dem Einbezug der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben wird.