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Wer trägt die Kosten von Klimaschäden?

22.03.2021, Klimagerechtigkeit

«Die Klimakrise als den Notfall behandeln, den sie darstellt»: Das forderte John Kerry, der Klimaentsandte der neuen US-Regierung, am diesjährigen Anpassungsgipfel. Den hehren Worten der Staatengemeinschaft folgten jedoch kaum Finanzzusagen.

Wer trägt die Kosten von Klimaschäden?
Das südamerikanische «Pantanal» ist eines der grössten Binnenland-Feuchtgebiete der Welt. Seit Anfang 2020 ist es mit den katastrophalsten Bränden seiner Geschichte konfrontiert.
© Lalo de Almeida/Folhapress/Panos

von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klimapolitik»

In der letzten Januarwoche lud die Global Commission on Adaptation (GCA) zum Klima-Anpassungsgipfel. Zusammen mit UNO-Generalsekretär Antonio Guterres lancierte die niederländische Regierung die «Adaptation Action Agenda 2030» und rief zur Dekade des Klima-Handelns bis 2030 auf.

Zum ersten Mal nach vierjähriger Zäsur wieder aktiv auf dem internationalen Klimaparkett, versprachen die USA die Verfehlungen der letzten Jahre wiedergutzumachen und sich für den Schutz der Verletzlichsten einzusetzen. John Kerry, der bereits für die Obama-Regierung an der Aushandlung des Pariser Klimaübereinkommens beteiligt war, warnte, dass es keine Anpassung an eine 3-4°C wärmere Welt gebe, «ausser für die Allerreichsten und Privilegiertesten».

Damit sprach der neue Klimaentsandte der Biden-Harris-Administration ein zentrales Dilemma im Pariser Abkommen an, für das auch nach fünf Jahren immer noch um klimagerechte Lösungen gerungen wird: die dringliche Unterstützung der Meistbetroffenen in Entwicklungsländern durch die VerursacherInnen der Klimaschäden und Verluste (sog. «Loss & Damage», L&D) im globalen Norden. Zwar wurde der Internationale Warschauer-Mechanismus (WIM) bereits 2015 mit der Erarbeitung von Unterstützungs-Optionen mandatiert. Finanzielle Mittel für konkrete Hilfe bei Klimakatastrophen wurden in Paris jedoch kategorisch ausgeklammert.

Finanzierung weiterhin offen

Am letzten Klimagipfel in Madrid Ende 2019 gelang ein kleiner Fortschritt: Die erstmalige Verankerung von «Loss & Damage» in der UNFCCC-Finanzarchitektur. Zwar scheuen die Industrieländer Finanzierungszusagen nach wie vor wie der Teufel das Weihwasser  – aus Angst vor Kompensationsforderungen.

Doch wurde zum einen mit der Gründung des «Santiago Netzwerk für Schäden und Verluste» der WIM um einen operativen Arm ergänzt, um die technische Unterstützung in besonders verletzlichen Entwicklungsländern zu fördern. Zum anderen lotet eine ExpertInnengruppe bis zur übernächsten Klimakonferenz (COP27), die auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden wird, Optionen für Entwicklungsländer aus, um bereits existierende (Klimafinanzierungs-)Gelder für L&D zu mobilisieren. Eine erste Analyse zeigte, dass es das Mandat des Grünen Klimafonds (GCF) bereits heute erlaubt, Klimaschäden und Verlusten nicht nur durch Anpassungsmassnahmen vorzubeugen oder sie zu minimieren, sondern auch Schadenskosten zu decken. Doch mit welchen Mitteln?

Die Finanzierung von L&D kann nicht ohne deutliche Aufstockung der Mittel in die bestehende Klimafinanzierungs-Architektur integriert werden. Denn die bisherigen Gelder reichen noch nicht einmal für die Vorbeugung vermeidbarer Klima-Schäden und Verluste; sprich für Anpassung.

«Fahrerflucht» vermeiden

Dies verdeutlicht, dass das neue Santiago Netzwerk bis zur COP27 in eineinhalb Jahren dringend auch die Mobilisierung zusätzlicher Finanzmittel in den Fokus rücken muss. Die Kosten der durch wohlhabende Staaten wie die Schweiz ausgelösten Klimakatastrophe auf die Entwicklungsländer abzuwälzen, käme Fahrerflucht gleich. Gerade auch bei innovativen Ansätzen, wie beispielsweise Klimaschadensversicherungen, besteht die Gefahr, dass die Kosten indirekt über die Prämien den Geschädigten anstatt den Verursachenden aufgebürdet werden.

Am nächsten Klimagipfel Anfang November in Glasgow (COP26) braucht es einen Durchbruch bei der Vorbeugung und Deckung von Schäden und Verlusten in Entwicklungsländern. Zum einen muss der Anteil für Anpassung am kollektiven Ziel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung vervierfacht, in Form von Direktbeihilfen und zusätzlich zur Entwicklungsfinanzierung bereitgestellt werden. Zum andern müssen die Staaten erste Pflöcke zur verursachergerechten Mobilisierung von Mitteln für unvermeidbare, sich bereits manifestierende Schäden und Verluste einschlagen. Ideen dafür reichen von einer globalen Flug- und Schiffsverkehrsabgabe über eine «Klimaschadenssteuer» an der Quelle fossiler Energien bis hin zu einer Abgabe auf Klimakompensations-Zertifikate.

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