Klimafinanzierung

Weshalb das Privatkapital an seine Grenzen stösst

05.12.2024, Entwicklungsfinanzierung, Klimagerechtigkeit

Um die Länder im Globalen Süden im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen, setzen viele Akteure des Nordens auf die Mobilisierung privater Mittel. Doch diese ist nicht annähernd so erfolgreich wie erhofft. Eine Bestandesaufnahme von Laurent Matile

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Weshalb das Privatkapital an seine Grenzen stösst

Korrektur überhöhter Erwartungen: Eine von Barbados' Premierministerin Mia Mottley lancierte Initiative zur Förderung von Klimafinanzierung für Entwicklungsländer hat ihre Forderungen an den Privatsektor heruntergeschraubt. © Keystone / AFP / Brendan Smialowski

«Die Zahlen, die bezüglich des Mobilisierungspotenzials von grünem Kapital kolportiert werden, sind realitätsfremd. Über die Mobilisierung von Privatkapital wird viel Unsinn erzählt.» Mit diesen Worten beendete Lawrence H. Summers, ehemaliger US-Finanzminister und emeritierter Professor und Präsident der Harvard-Universität, im Oktober letzten Jahres eine Podiumsdiskussion in Washington D. C.1

An der COP29 in Baku, die am 24. November endete, wurde in letzter Minute ein neues Ziel für die Klimafinanzierung vereinbart: Die Industrieländer verpflichteten sich, das bisherige Finanzierungsziel von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr auf 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2035 zu verdreifachen. Ein Betrag, der angesichts des Bedarfs der Entwicklungsländer, der global auf 2,4 Billionen pro Jahr geschätzt wird, bei weitem nicht ausreicht. In einer nebulösen Formulierung wurde ausserdem vereinbart, «die Anstrengungen aller Akteure zu sichern», um die Beiträge an die Entwicklungsländer aus öffentlichen und privaten Quellen bis 2035 auf 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr zu erhöhen.

Obwohl die Mobilisierung privater Klimafinanzierung nicht zuoberst auf der Agenda der COP29 stand, bleibt sie für viele öffentliche und private Akteure das Patentrezept schlechthin. Tatsächlich haben seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zahlreiche öffentliche und private Akteure – diejenigen, die Lawrence Summers anspricht – grosse Anstrengungen unternommen, um die Entwicklung «innovativer Finanzinstrumente» voranzutreiben. Dabei handelt es sich um staatlich subventionierte Instrumente, deren Ziel immer dasselbe ist: die Risiken reduzieren (de-risking), um private Investitionen zu fördern – sei es für das Klima oder für nachhaltige Entwicklung. Dieses Schema ist tief verwurzelt. Viele Delegationen, darunter auch jene der Schweiz, rechnen damit, dass es, unabhängig von den letztendlich geschuldeten Beträgen der Industrieländer, möglich sein wird, einen wesentlichen Teil davon durch die «Mobilisierung von Privatkapital» sicherzustellen.

Die Faktenlage

Woher die Klimafinanzierung bisher kam und wohin sie geflossen ist, lässt sich aus den neuesten Zahlen der OECD2 ermitteln:

  • Achtzig Prozent (80%) der gesamten Klimafinanzierung der Industrieländer in der Höhe von 115,9 Milliarden USD (im Jahr 2022) wurden durch öffentliche Mittel (bilateral und multilateral den Industrieländern zuzurechnen) bereitgestellt.
  • Nur etwa 20% waren private Mittel, die durch öffentliche Finanzierungen mobilisiert wurden. Nach mehreren Jahren der Stagnation stiegen sie von 14,4 Mrd. USD im Jahr 2021 auf 21,9 Mrd. USD im Jahr 2022, was einem Anstieg um 52% entspricht. Zum Vergleich: Die für nachhaltige Entwicklung mobilisierte Gesamtsumme stieg 2022 ebenfalls deutlich um 27% (von 48 Milliarden USD im Jahr 2021 auf 61 Milliarden USD).
  • Klimabezogene Exportkredite blieben volumenmässig gering und volatil, weshalb ihr Anteil an der Gesamtsumme vernachlässigbar blieb.
  • Der Grossteil der privaten Finanzierungen (68%) wurde weiterhin in Ländern mit mittlerem Einkommen (MICs) mobilisiert und beschränkte sich auf einen begrenzten Kreis von Entwicklungsländern und dort wiederum auf eine begrenzte Anzahl von grossen Infrastrukturprojekten. Nur 3% wurden für Länder mit niedrigem Einkommen (LICs) bereitgestellt.
  • Der Grossteil der privaten Mittel floss in die Emissionsminderung (84%), während für Anpassungsmassnahmen nur 16% eingesetzt wurden. Letztere stiegen von 0,4 Milliarden USD im Jahr 2016 auf 3,5 Milliarden USD im Jahr 2022. Auch diese Gelder flossen in einige wenige Grossprojekte.
  • Fast die Hälfte der mobilisierten privaten Finanzmittel wurde in den Energiesektor investiert, in geringerem Masse auch in den Finanz- und Industriesektor, einschliesslich des Bergbaus.

 

 

Die OECD weist (immer wieder) darauf hin, dass «das Potenzial zur Mobilisierung privater Finanzmittel» im Kampf gegen den Klimawandel in den Entwicklungsländern durch eine Reihe von Herausforderungen gemindert wird. Sie verweist auf die mehr oder weniger günstigen Rahmenbedingungen für Investitionen in den Partnerländern, auf die zu geringe Rentabilität vieler Klimaprojekte, die es erschweren, private Investitionen im grossen Massstab anzuziehen, oder darauf, dass einzelne Projekte oft zu klein sind, um eine nennenswerte kommerzielle Finanzierung zu erhalten.

Doch die Überzeugung scheint zu bröckeln

Kaum eine Idee scheint so abgedroschen wie die Hoffnung, ein paar Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern könnten dazu führen, Tausende Milliarden (Billionen!) an privaten Investitionen für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz zu mobilisieren. Diese These wird denn auch zunehmend in Frage gestellt – nicht nur von Nichtregierungsorganisationen.

Ein Beispiel dafür ist die Bridgetown-Initiative 3.0, die ihre Erwartungen an die Mobilisierung des Privatsektors revidiert hat. Die Initiative, 2022 von Mia Mottley, der charismatischen Premierministerin von Barbados, ins Leben gerufen, wurde Ende September in ihrer dritten Version veröffentlicht. Sie zielt darauf ab, das globale Finanzsystem zu überdenken mit dem Zweck, die Schulden zu reduzieren und den Zugang zu Klimafinanzierung für Entwicklungsländer zu verbessern. Während Bridgetown 2.0 dazu aufrief, jährlich 1,5 Billionen US-Dollar aus dem Privatsektor für einen grünen und fairen Wandel zu mobilisieren, wurde die Forderung in der Version 3.0 auf «mindestens 500 Milliarden US-Dollar» heruntergeschraubt.

Mit Blick auf den Umfang und die Merkmale der bislang mobilisierten privaten Finanzierungen lassen sich eine Reihe von Schlussfolgerungen ziehen:

  • Erstens konzentriert sich die private Klimafinanzierung, unabhängig davon, ob sie durch öffentliche Gelder mobilisiert wird oder nicht, angesichts der Rentabilität von Grossprojekten vorrangig auf Emissionsreduktionsprojekte in Ländern mit mittlerem Einkommen, hauptsächlich im Energiesektor. Private Mittel für Anpassungsmassnahmen in Ländern mit niedrigem Einkommen bleiben eine Randerscheinung.
  • Zweitens stellt die Stagnation der globalen privaten Klimafinanzierung die Fähigkeit der privaten Ressourcen in Frage, so schnell und umfassend zu wachsen, wie es ihre Befürworter erwarten.
  • Die öffentliche Finanzierung muss weiterhin im Mittelpunkt der Bemühungen stehen, die Entwicklungsländer bei der Emissionsminderung und vor allem bei der Anpassung an den Klimawandel und der Behebung unvermeidbarer Verluste und Schäden zu unterstützen. Dafür müssen «neue und zusätzliche» Mittel ausserhalb der Budgets für Entwicklungszusammenarbeit sichergestellt werden.

 

Alliance Sud fordert erstens, dass der Grossteil des «fairen Beitrags» der Schweiz zur internationalen Klimafinanzierung durch öffentliche Gelder geleistet wird. Dabei ist ein Gleichgewicht zwischen den Mitteln für die Emissionsreduktion und die Anpassungsmassnahmen anzustreben. Zweitens sollen private Finanzierungen, die durch öffentliche Instrumente mobilisiert werden, nur dann als Klimafinanzierung der Schweiz angerechnet werden, wenn ihre positive Wirkung für die Menschen im Globalen Süden zuverlässig nachgewiesen werden kann.

 

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