Kommentar zur COP29 in Baku

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

29.11.2024, Klimagerechtigkeit

Nach der Klimakonferenz COP29 in Baku herrscht Fassungslosigkeit bei der internationalen Zivilgesellschaft und den ärmsten Ländern des Globalen Südens ob der brutalen Absage des Globalen Nordens an die Klimagerechtigkeit. Doch die Klimakrise läuft weiter und die Debatte zur Umsetzung in der Schweiz fängt erst an.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Ein Armutszeugnis für die reiche Schweiz

Teilnehmende aus dem Globalen Süden protestierten an der COP29 angesichts der ungenügenden Klimafinanzierung, andere waren schlicht entsetzt über die Verhinderungshaltung von Ländern wie der Schweiz. © Keystone / AP Photo / Rafiq Maqbool

Zwei Wochen lang kämpften die Länder des Globalen Südens in Baku um ein neues Klimafinanzierungsziel, das die Kosten aufgrund der Klimakrise gerecht verteilen und eine angemessene finanzielle Unterstützung aus dem Globalen Norden sichern würde. Sie bissen aber bei den reichen Ländern auf Granit. Die Konferenz befand sich bereits in der Überzeit, als die Vertreter:innen aus den ärmsten Ländern und aus den kleinen Inselstaaten ihre Verzweiflung und Wut über die ungenügende Bereitschaft aus dem Globalen Norden für höhere finanzielle Beiträge zum Ausdruck brachten. Sind sie doch durch den Anstieg des Meeresspiegels und weitere verheerende Auswirkungen der Klimaerwärmung bereits existenzieller Bedrohung ausgesetzt. Einige Stunden später waren sie gezwungen, einen kaum besseren Vorschlag anzunehmen, wollten sie irgendeinen Abschluss der Konferenz zur Klimafinanzierung haben.

Die Ausgangslage der COP29 war schlicht eine riesige, ungedeckte Finanzierungslücke im Globalen Süden, um angemessene nationale Beiträge zur Erreichung des 1,5 Grad-Ziels und nationale Anpassungspläne umzusetzen sowie für klimabedingte Schäden und Verluste aufkommen zu können. Ebenfalls gibt es Hindernisse beim Zugang zur bereits bestehenden Klimafinanzierung. Alliance Sud hatte ein Finanzierungsziel von 1000 Milliarden Dollar jährlich gefordert.

Globaler Süden macht Druck

Zahlreiche Studien bestätigen, dass insbesondere für Anpassung sowie insgesamt in den ärmsten Ländern und kleinen Inselstaaten die Lücke nicht mit privaten Investitionen geschlossen werden kann. Denn die Investor:innen kommen nicht, und bereits hoch verschuldete Länder können sich privates Kapital zum entsprechenden Preis gar nicht leisten. Entsprechend wurde von Seiten des Globalen Südens sowie der Zivilgesellschaft Druck aufgebaut, um eine Vervielfachung der öffentlichen Mittel in der Form von Zuschüssen («Grants») sowie stark vergünstigter Kredite im neuen Klimafinanzierungsziel zu erreichen.

Im Gegensatz dazu wurde die Positionierung der bisherigen Geberstaaten von der Zivilgesellschaft als höchst unfair wahrgenommen, da die Geberstaaten keinerlei Angebote zur Erhöhung ihrer eigenen Beiträge an die Klimafinanzierung bereithielten. Dies obwohl sie gemäss Pariser Abkommen klar im Lead und in der Verantwortung stehen. Unter diesem Eindruck ist auch die grosse Skepsis von weiten Teilen der Zivilgesellschaft gegenüber einer Erweiterung der Geberbasis zu verstehen, weil dies vor allem als Ablenkung der Industriestaaten von ihrer Verantwortung interpretiert wurde.

Schweiz schwächt Multilateralismus

Alliance Sud hat die Schweizer Forderung nach dem Einbezug neuer Geberstaaten mitgetragen, aber stets darauf aufmerksam gemacht, dass dies mit einer Erhöhung der eigenen Beiträge verbunden sein muss. Gewisse Aussagen der Schweiz in den Medien während und nach der COP haben aber leider genau das bestätigt, was die Länder im Globalen Süden bereits vermuteten: dass die Industrieländer sich mit dem Argument der Geberbasis vor ihrer eigenen Verantwortung drücken wollen. Mit diesem Verhalten schwächt die Schweiz letztlich den Multilateralismus, von dem sie als kleiner Staat selbst abhängig ist.

Die Schweiz steht nun vor der Aufgabe, das neue Klimafinanzierungsziel umzusetzen und ihren fairen Anteil an den Kosten, die durch die Klimakrise insbesondere in den ärmsten Ländern im Globalen Süden anfallen, zu tragen – dies im ureigenen Interesse. Damit werden weitere Schäden verhindert, Menschenleben gerettet und zusätzliche Fluchtgründe vermieden. Und nur mit einer massiven Aufstockung der Klimafinanzierung gelingt die Transition auf der ganzen Welt, für die sich die Schweiz international einsetzt.

 

Weitere Artikel zur UN-Klimakonferenz COP29 in Baku

Zu den Resultaten der COP29 siehe auch hier.

Lesen Sie ausserdem den Kommentar von Andreas Missbach zu den bundesrätlichen Absagen gegenüber dem Globalen Süden an der COP29 und erfahren Sie mehr über die Auslandkompensationen der Schweizer Klimapolitik in der Recherche von Delia Berner. Diese zeigt, dass beim Projekt in Ghana grosse Probleme bestehen.

 

 

Delia Berner vertrat Alliance Sud an der COP29 in der Schweizer Delegation. Dieser Kommentar wurde im eigenen Namen und nicht im Namen der Delegation verfasst.