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So arbeiten Entwicklungsorganisationen heute
26.11.2017, Internationale Zusammenarbeit
Hilfswerke bauen Brunnen und Brücken. Dieses Bild der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit ist längst überholt. Alliance Sud stellt die Arbeit ihrer Träger und Partner vor. Das Wichtigste auf den Punkt gebracht.
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Die Meinungen über Sinn und Zweck von Entwicklungszusammenarbeit (EZA) gehen auseinander. Höchste Zeit, Missverständnisse auszuräumen. Und zu erklären, was Entwicklungsorganisationen heute tun.
Das sind die Grundlagen der Schweizer EZA:
- In der Bundesverfassung (Art. 54/2) heisst es: Der Bund trägt bei zur Linderung von Not und Armut in der Welt, zur Achtung der Menschenrechte und zur Förderung der Demokratie, zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker sowie zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.
- Die Ziele der EZA umschreibt das Entwicklungshilfegesetz so: Die Entwicklungszusammenarbeit unterstützt die Entwicklungsländer im Bestreben, die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerung zu verbessern. Sie soll dazu beitragen, dass diese Länder ihre Entwicklung aus eigener Kraft vorantreiben. Sie unterstützt in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen.
Das leistet die EZA
Richtige EZA zeigt echte und messbare positive Wirkung – dort, wo es beabsichtigt ist. Dafür sorgen wissenschaftlich erprobte Instrumente der Wirkungsmessung. Diese erlauben auch, begangene Fehler möglichst rasch zu korrigieren. EZA unterstützt nicht nur Individuen, Familien und Gemeinschaften, sondern trägt auch dazu bei, dass die Verbesserungen dauerhaft sind und einen systemischen Wandel bewirken.
Das kann die EZA nicht leisten
EZA kann die Welt nicht retten, denn dafür fehlen ihr – verglichen mit den Geldern, die in anderen Politik- und Wirtschaftsfeldern bewegt werden – die Mittel. Globale Ungleichheit ist historisch gewachsen und hat sich in jüngster Zeit noch enorm verstärkt. Das ist kein Widerspruch zur Tatsache, dass es prozentual noch nie so vielen Menschen materiell so gut ging wie heute.
Das macht gute EZA
Richtig konzipierte EZA erzielt Wirkung. Sie trägt dazu bei, das Vertrauen der Menschen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Sie begegnet den Armen und Ärmsten auf Augenhöhe, orientiert sich an ihren Bedürfnissen und stärkt so das Bewusstsein, dass sich alle Menschen mit Erfolg für Chancengleichheit einsetzen, und sich gegen verkrustete Strukturen und fatale Abhängigkeiten wehren können.
Das macht gute EZA nicht
EZA nimmt die Regierungen von Empfängerstaaten nicht aus der Verantwortung, selbst das Beste für ihre Bürgerinnen und Bürger zu tun. Budgethilfe auch an ärmste Staaten ist darum nur in gut begründeten Fällen die Ausnahme der Regel. EZA darf kein Schmiermittel für Schweizer Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten sein, die bereits auf einem erfolgreichen Entwicklungspfad sind.
Wer betreibt EZA?
Zu unterscheiden ist die EZA der öffentlichen Hand sowie die EZA privater Organisationen. Die öffentliche EZA (Deza und Seco) sollte sich auf die ärmeren Entwicklungsländer konzentrieren. Die Privaten führen Mandate im Auftrag des Bundes aus, betreiben aber vor allem mit Spendengeldern finanzierte Projekte in Eigenregie. Mit diesen engagieren sie sich auch für die Ärmsten in Schwellenländern.
Wie wird EZA finanziert?
Die öffentliche EZA ist Teil der internationalen Zusammenarbeit (IZA) des Bundes. 2016 standen Deza und Seco dafür 2.5 Milliarden zur Verfügung. Private Organisationen finanzierten über Spendengelder eigene Projekte im Umfang von 520 Millionen Franken (Stand 2015).
Fazit: EZA ist gut investiertes Geld
Von A bis Z durchdachte EZA zahlt sich für alle aus. Menschen in benachteiligten Ländern eröffnet sie dauerhafte Perspektiven, sie hilft Konflikte rechtzeitig zu erkennen oder abzubauen, sie zeigt Alternativen auf zum Versuch, sein Glück in der Migration zu suchen. EZA ist Ausdruck der Solidarität mit jenen, die nicht das Glück hatten, in einem Land wie der Schweiz zur Welt zu kommen. Sie ist unser Beitrag an eine bessere Welt für alle.
© Paul Smith / Panos
In diesen Themen ist die Schweizer EZA heute engagiert
Zielführende EZA-Projekte setzen den Hebel parallel an verschiedenen Stellen an. Mit der Philosophie, über Sektorengrenzen hinaus zu denken, orientiert sich die Schweizer EZA an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, wie sie in der Uno-Agenda 2030 formuliert sind.
Eine Auswahl:
Stärkung der politischen Rechte und Teilhabe der Zivilgesellschaft
- In Zentralindien (Chhattisgarh und Orissa) hält ein ausbeuterisches Kreditsystem die landlose Mehrheit der Bauern seit Generationen in Schuldknechtschaft. In 240 Projektdörfern werden neue, gemeinsam verwaltete Sparkassen aufgebaut. (Fastenopfer)
- In Kambodscha, wo der Zugang zu Land und Wasser für Konflikte sorgt, werden Gremien auf Gemeinde-, Distrikt- und Provinzebene gestärkt und vernetzt, um eine gewaltfreie Lösung dieser Konflikte zu ermöglichen. (HEKS)
Förderung nachhaltiger Landwirtschaft – auch im Hinblick auf den Klimawandel
- In Ostafrika profitieren Zehntausende von Bauern vom Farmer Communication Programme, in dem Wissen über Bodenqualität, Agroökologie, Selbstorganisation, Wertschöpfung und Anpassung an den Klimawandel geteilt und weiter verbreitet wird. (Biovision)
- Im zentralen Hochland Ecuadors leiden die Menschen unter Mangelernährung, übernutzten Böden und schwindenden Wasserreserven. Sieben Gemeinden erhalten fachliche, organisatorische und finanzielle Unterstützung, um ihre Nahrungsmittelproduktion auf eine nachhaltige Basis zu stellen. (SWISSAID)
Verbesserung von Marktzugang und Förderung nachhaltiger Strukturen
- In Bangladesch erreicht ein Einkommensprogramm über 1 Million arme Haushalte. 3000 neue lokale Dienstleistungsanbieter arbeiten mit den Kleinbauern zusammen und stellen die Verbindung zu regionalen Märkten sicher. (Helvetas)
- In Tadschikistan, wo rund 80% der Bevölkerung von Landwirtschaft und Viehhaltung leben, wird In Kursen Wissen zu Nachhaltigkeit, Produktivitätssteigerung und Vermarktung vermittelt. Dadurch können für die Produkte bessere Preise erzielt werden. (Caritas)
Kampf gegen Enteignung und Wahrnehmung legitimer Landrechte
- In Kolumbien sind die Rechte der Landbevölkerung nicht garantiert. Ökosysteme sind durch Gold- und Kupferabbau bedroht. Afro-amerikanische Kleinbauern werden bei der Verteidigung ihres Bodens, ihrer Lebensweise und Identität unterstützt. (Fastenopfer)
- Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso do Sul kämpft die indigene Gemeinschaft der Guarani-Kaiowà gegen Monokulturen (Soja, Zuckerrohr), die ihre Lebensgrundlage zerstören. Sie erhalten dabei juristische und politische Unterstützung. (HEKS)
Unterstützung im Kampf für menschenwürdige Arbeit und Arbeitsbedingungen
- In Thailand leben und arbeiten ungefähr 3 Millionen Sans-papiers aus Kambodscha und Myanmar ohne jeden Schutz. Deren rechtliche Situation und ihre Lebensbedingungen werden in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen gestärkt. (Solidar Suisse)
- In China, wo jedes zweite Smartphone hergestellt wird, herrschen in Fabriken oft unmenschliche Arbeitsbedingungen: giftige Chemikalien, unbezahlte Überstunden, Tiefstlöhne. Die Organisation Sacom dokumentiert die Missstände und setzt sich für Verbesserungen ein. (Brot für alle)
Zugang zu Bildung für alle
- In Nepal wurde mit dem Employment Fund ein innovatives Berufsbildungsprogramm mit einem erfolgsbasierten Bezahlungsprogramm aufgebaut. Seit 2007 wurden mehr als 100‘000 Menschen in über 34 Berufen ausgebildet. Eine ETH-Studie hat die grosse Wirkung bestätigt. (Helvetas)
- In Zimbabwe gibt es kaum eine Familie, die nicht von der AIDS-Pandemie betroffen ist. Stigmatisierten Jugendlichen wird mit einem Ausbildungsprogramm und psychosozialer Unterstützung gegen die Ausgrenzung geholfen. (Terre des Hommes Schweiz)
Unterstützung von Frauen und ihrer Rolle in der Gesellschaft
- In Uganda leben viele Bauernfamilien am Rand der Armut, Frauen haben kaum Mitspracherecht. Die Rural Women Development Association unterstützt Frauen und Mädchen und bildet sie in Fragen der Agroökologie aus und zeigt Wege zur Erschliessung neuer Einkommensquellen. (Biovision)
Gesundheitsversorgung
- In Togo werden tödliche Krankheiten, wozu neben Malaria auch Durchfall gehört, mit der Stärkung des Gesundheitsbewusstseins in sogenannten Mütterklubs bekämpft. (Schweizerisches Rotes Kreuz)