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Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

21.03.2024, Klimagerechtigkeit

Die Schweiz ist nicht vorbereitet auf die massiv steigenden Erwartungen an ihren künftigen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung. Neue Finanzierungsquellen sind gefragt, um zusätzliche Mittel für Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden zu sprechen.

Delia Berner
Delia Berner

Expertin für internationale Klimapolitik

Wer Kohleausstieg sagt, muss auch Klimafinanzierung sagen

Extraktion fossiler Energieträger in Bakersfield, USA.   © Simon Townsley / Panos Pictures

Verwundert fragten Medienschaffende Bundesrat Albert Rösti letzten Dezember an der Klimakonferenz in Dubai, ob er sich wohl fühle, den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050 zu fordern. Er beschwichtigte. Bis 2040 solle die Welt aus der Kohle aussteigen, fügte er gemäss Schweizer Position im Plenum hinzu. Was er nicht sagte: Um aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, braucht es mehrere hundert Milliarden Dollar Klimafinanzierung für den Globalen Süden – pro Jahr. Und für die Anpassung in den ärmeren Ländern, die bis heute fast keine Treibhausgase ausstossen, aber immer schlimmer von der Klimakrise betroffen sind, und für die Entschädigung der Betroffenen, ist nochmals ein solch hoher Betrag notwendig. Das wäre ein Vielfaches des heutigen Finanzierungsziels von 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Die Finanzierungslücke für Klimaschutzmassnahmen in ärmeren Ländern wächst stetig. Trotzdem bleiben die finanziellen Mittel, die von den Verursacherstaaten der Klimakrise wie der Schweiz bereitgestellt werden, sogar hinter den versprochenen 100 Milliarden zurück. Hinzu kommen die Schuldenkrise und weitere Faktoren, welche die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten in den ärmsten Ländern stark einschränken. Viele Länder im Globalen Süden fühlen sich vom Norden im Stich gelassen.

Mit dieser schwierigen Ausgangslage wird an der diesjährigen Klimakonferenz ein neues Finanzierungsziel verhandelt. Es wird daran gemessen werden, ob es die Länder im Globalen Süden tatsächlich dazu befähigt, ambitionierte Klimaschutzpläne umzusetzen und sich an die Klimaerwärmung soweit möglich anzupassen. Ein ambitioniertes und glaubwürdiges neues Klimafinanzierungsziel ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass alle Staaten im Jahr 2025 neue 5-Jahres-Klimapläne einreichen können, die den Zielen des Pariser Abkommens gerecht werden. Es steht also viel auf dem Spiel, wenn die Delegierten sich im November in Aserbaidschan zu den Verhandlungen treffen, und die Erwartungen an die reichen Länder werden massiv ansteigen. Auch die Schweiz sollte sich konsequenterweise dafür einsetzen, dass die Verursacherstaaten weit mehr öffentliche Mittel für die Klimafinanzierung bereitstellen. Der Chefverhandler der Gruppe der ärmsten Länder, Evans Njewa aus Malawi, fordert in einem Gastbeitrag für Climate Home News die Verhandlungsdelegationen aus dem Globalen Norden auf, sich nicht länger hinter ihren Parlamenten zu verstecken: «Sie sagen, sie hätten kein Mandat beziehungsweise keine Möglichkeit, die Mittel zu erhöhen, da ihre Parlamente nicht zustimmen würden. Umso mehr müssen sie jetzt handeln, bevor die Parlamente über ihre Budgets beraten», fordert Njewa.

Der Bundesrat verdrängt den Handlungsbedarf

Dieses Muster lässt sich auch hierzulande beobachten. Während die Schweiz sich in den Klimaverhandlungen für den weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien bis 2050 einsetzt, damit die Ziele des Pariser Abkommens noch erreicht werden können, steht sie in Finanzierungsfragen auf der Bremse, weil sie keine innenpolitischen Zusagen für höhere Beiträge vorweisen kann. Allerdings versucht der Bundesrat gar nicht erst, zusätzliche Mittel beim Parlament zu beantragen. Wie kommt das?

Die Schweizer Beiträge an die Klimafinanzierung stammen bisher hauptsächlich aus dem Budget der internationalen Zusammenarbeit (IZA), das schon an sich zu wenig Mittel für die globale Armutsbekämpfung erhält und dem nun noch eine massive Mittelverschiebung zugunsten des Wiederaufbaus in der Ukraine droht. Das heisst, dass bereits die jetzige Klimafinanzierung mit Projekten zur Armutsbekämpfung doppelt gezählt wird. Hingegen braucht es neue, zusätzliche Mittel, um mit der Schweizer Klimafinanzierung effektiv zur Unterstützung der Klimapläne im Globalen Süden beizutragen. Der Bundesrat müsste auf Gesetzesebene alternative Finanzierungsoptionen erarbeiten, damit die IZA-Mittel weiterhin für die globale Armutsbekämpfung, die Stärkung der Grundversorgung bei Bildung und Gesundheit sowie ihre weiteren zentralen Aufgaben eingesetzt werden können. Tatsächlich hat er der Verwaltung vor einem Jahr den Auftrag gegeben, Optionen zu erarbeiten, wie die Schweiz künftig mehr Klimafinanzierung leisten könnte. Ende letztes Jahr wurde dann ohne Kommentar eine extern in Auftrag gegebene Studie auf der Website des Bundesamts für Umwelt veröffentlicht. Darin empfehlen die Expertinnen und Experten, dass die Schweiz zusätzliche Finanzierungsquellen erschliessen solle, beispielsweise Einnahmen aus dem Emissionshandelssystem. Doch im Bundesrat geschah seither nichts. Gemäss der neuen Legislaturplanung hat er nicht vor, in den nächsten drei Jahren dem Parlament ein Geschäft zur Klimafinanzierung vorzulegen. Er setzt einzig auf den neuen Vierjahreskredit für die Internationale Zusammenarbeit 2025 - 2028, der aber keinen Raum für zusätzliche Klimafinanzierung bietet.

Wenn der Bundesrat nicht handelt – was in diesem Fall verantwortungslos ist, da die Klimaverhandlungen in seiner Kompetenz liegen –, kann auch das Parlament die Initiative ergreifen. Nationalrat Marc Jost hat in der vergangenen Wintersession einen Vorstoss eingereicht, damit im Parlament ein neues Gesetz für die internationale Klima- und Biodiversitätsfinanzierung erarbeitet werden kann.

Ohne Finanzierung kein Handeln

Die Klimakonferenz in Baku rückt schnell näher – was bleibt also zu tun? Die Schweiz muss ihre bisherige Verhandlungsposition in Finanzierungsfragen überdenken und sich für ein ambitioniertes Ziel einsetzen, das den Bedürfnissen der Menschen im Globalen Süden entspricht und die finanziellen Verantwortlichkeiten fair auf die reicheren Länder verteilt, welche die Klimakrise zu verantworten haben. Nur so kann bis 2040 der Ausstieg aus der Kohle und bis 2050 aus allen fossilen Energien gelingen. Entsprechend hoch wird auch der internationale Druck sein, sich auf ein ehrgeiziges Ziel zu einigen.

Und damit wird auch der Druck auf die Schweiz unweigerlich steigen, ihren Beitrag um ein Vielfaches zu erhöhen. Damit ein Anstieg der Mittel rasch genug erfolgen kann, muss sie jetzt die gesetzgeberischen Arbeiten an die Hand nehmen und zusätzliche Wege für die Klimafinanzierung erschliessen. Evans Njewa drückt es so aus: «Wir müssen uns stets daran erinnern, dass es ohne Finanzierung kein Handeln gibt, und ohne Handeln werden wir die Klimakrise nie in den Griff kriegen.»

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