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Fünf Fragen in den Süden zur Coronakrise

22.06.2020, Internationale Zusammenarbeit

Was bedeutet die Coronakrise für die Menschen im globalen Süden? «global» hat fünf Menschen aus fünf Ländern befragt. Ein Schlaglicht ohne Anspruch auf Repräsentativität.

Fünf Fragen in den Süden zur Coronakrise

Ravikant Tupkar, Leiter der Bauernorganisation Swabhimani in Maharashtra, Indien

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Ravikant Tupkar

  1. Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?
    Die Regierung beschuldigt die Muslime und vernachlässigt ihren Auftrag, die Grundbedürfnisse aller zu decken. Umso grösseren Respekt habe ich vor jenen, die auch ohne ausreichende Schutzausrüstung gegen die Verbreitung des Virus kämpfen.
  2. Welche Ihrer Freiheiten wurden eingeschränkt?
    Die Regierung hat die Bewegungsfreiheit radikal eingeschränkt und setzt das strikt durch. Ernte auf dem Markt zu verkaufen, bleibt erlaubt. Wer sich nicht ans social distancing hält, kann bestraft werden, dasselbe gilt für Meinungsäusserungen im Internet.
  3. Wie wirkt sich die Krise in Ihrem Land auf die verletzlichsten Menschen aus?
    Kleine Betriebe verlieren die Existenzgrundlage, immer mehr Menschen landen auf der Strasse. Auch Leute mit einer Ausbildung verlieren ihre Arbeit, wahrscheinlich wird die Zahl der Bauern, die sich aus Verzweiflung das Leben nehmen, ansteige
  4. Was werden die Folgen der Coronakrise sein?
    Die religiösen Spannungen drohen zu eskalieren, Mobbing und Ausschreitungen zuzunehmen. Die Abriegelung war für die Wirtschaft verheerend. Sollten jetzt auch noch ausländische Unternehmen ihre Investitionen abziehen, wäre das katastrophal. 
  5. Gibt es auch Anlass zur Hoffnung?
    Ich bete, dass mein Land und auch der Rest der Welt diese Krankheit schnell und sicher überwinden mögen.

Angela Ospina Rincón, Direktorin des Zentrums für psychosoziale Betreuung in Bogotà, Kolumbien

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Angela Ospina

  1. Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?
    Ich bin sehr besorgt über die zunehmende Verletzung der Menschenrechte und haben unsere Arbeit neu ausgerichtet. Im Zentrum stehen Denunziation und die Auswirkungen der Ausgangssperre für die über 70jährigen auf deren elementare Menschenrechte.
  2. Welche Ihrer Freiheiten wurden eingeschränkt?
    Abgesehen von den Alten setzt Kolumbien auf Herdenimmunität, das verstärkt das bestehende Gefühl der Unsicherheit. Die Opposition war schon vorher stark eingeschränkt. Die Regierung nutzt die Pandemie, um ihre Agenda voranzubringen.
  3. Wie wirkt sich die Krise in Ihrem Land auf die verletzlichsten Menschen aus?
    Die Pandemie wirft ein Schlaglicht auf die extreme Ungleichheit in Kolumbien, die hier am zweitstärksten ausgeprägt ist in Lateinamerika. Die Ärmsten leiden Hunger, ihre Proteste werden mit Tränengas, Schlägen und Verhaftungen unterdrückt.
  4. Was werden die Folgen der Coronakrise sein?
    Armut, Hunger und Arbeitslosigkeit werden zunehmen. Es wird zu sozialen Unruhen kommen. Wenn das Virus uns nicht tötet, ist es der Hunger. Präsident Duque regiert zu Gunsten seiner Anhänger gegen das Volk, öffentliche Mittel werden zweckentfremdet.
  5. Gibt es auch Anlass zur Hoffnung?
    Ja, inmitten grosser Repression gibt es aus der Mitte der Bevölkerung eine grosse Welle der Solidarität. Soziale und Menschenrechtsorganisationen haben ihre Arbeit unter schwierigsten Bedingungen aufrechterhalten.

Djalma Costa, Direktionsmitglied des Kinderrechtszentrums CEDECA in Sao Paulo, Brasilien

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Djalma Costa

  1. Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?
    Die Dimension, welche die Gesundheitskrise in Brasilien annimmt, bereitet mir allergrösste Sorgen. Dies vor allem auch, weil wir keine verlässliche politische Führung haben, die den BrasilianerInnen mehr Sicherheit vermittelt.
  2. Welche Ihrer Freiheiten wurden eingeschränkt?
    Die verordnete Quarantäne hat eine direkte Auswirkung auf unsere Bewegungsfreiheit. Aber ich anerkenne, dass sie notwendig ist. Von zu Hause aus zu arbeiten, emfinde ich als sehr schwierig.
  3. Wie wirkt sich die Krise in Ihrem Land auf die verletzlichsten Menschen aus?
    Die arme, ausgegrenzte Bevölkerung ist am meisten betroffen. Es fehlt ihr an fast allem. Präsident Bolsonaro verhält sich wie ein Feind der Verletzlichsten und arbeitet aktiv gegen die Behörden und die Gouverneure der Bundesstaaten.
  4. Was werden die Folgen der Coronakrise sein?
    Die Wirtschaftskrise, die auf uns zukommt, wird beispiellos sein. Die drängendste Frage wird die Ernährungssicherheit betreffen, aber auch das Fehlen von Arbeitsplätzen, um wieder in Würde zu leben. Psychische Erkrankungen werden zunehmen.
  5. Gibt es auch Anlass zur Hoffnung?
    Menschen haben die Fähigkeit, sich neu zu erfinden, das gibt mir Mut. Im Moment ist die Stimmung in Brasilien zwar von einer grossen Entmutigung geprägt, doch der Kampf ist unser täglicher Begleiter.

Sambu Seck, Generalsekretär der Bauernorganisation KAFO, Guinea-Bissau

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Sambu Seck

  1. Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?
    Die Pandemie bestimmt mein tägliches Leben, sowohl privat als auch beruflich. Erstmals in meinem Leben fühle ich mich der volkstümlichen Wärme der bäuerlichen Gemeinschaften und ihrer spontanen, liebevollen Art beraubt.
  2. Welche Ihrer Freiheiten wurden eingeschränkt?
    Die Behörden haben die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt, um die Ansteckungsgefahr zu mindern. Als aktives Mitglied der Zivilgesellschaft trage ich das mit, meine Arbeit läuft strikt nur noch über digitale Kanäle.
  3. Wie wirkt sich die Krise in Ihrem Land auf die verletzlichsten Menschen aus?
    Nur 38% der Bevölkerung hat Zugang zu Gesundheitsdiensten. Unter den Verwundbarsten sät das Coronavirus als unsichtbarer Feind Angst und Schrecken. Unkenntnis über Ursprung und Umgang mit der Bedrohung verheissen nichts Gutes.
  4. Was werden die Folgen der Coronakrise sein?
    Die Gefahren einer akuten Nahrungsmittel- und Gesundheitskrise sind offensichtlich. Unsere Wirtschaft hängt stark von der Landwirtschaft ab, insbesondere der Produktion von Cashewnüssen. Der Export ist jedoch völlig zusammengebrochen.
  5. Gibt es auch Anlass zur Hoffnung?
    Guinea-Bissau hat relativ schnell mit präventiven gesundheitlichen und wirtschaftlichen Massnahmen auf diese globale Krise reagiert. Je besser wir alle zusammenstehen, desto eher wird ein schrittweiser Ausweg aus der Krise möglich sein.

Risa Hontiveros, Senatorin im philippinischen Parlament, Manila

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Risa Hontiveros

  1. Wie erleben Sie persönlich die Coronakrise?
    Auch die Philippinen setzen die sozialen Distanzierungs- und Quarantänemassnahmen strikt um. Das bedeutet u.a., dass ich mich aus der Ferne um meine alte Mutter kümmern muss. Auch andere geliebte Menschen habe ich seit Wochen nicht mehr gesehen.
  2. Welche Ihrer Freiheiten wurden eingeschränkt?
    An erster Stelle ist klar die Einschränkung der Bewegungsfreiheit zu erwähnen. Als Staatsangestellte bin ich davon allerdings – wie das Personal im Gesundheitswesen oder im Detailhandel – etwas weniger stark betroffen.
  3. Wie wirkt sich die Krise in Ihrem Land auf die verletzlichsten Menschen aus?
    Die Coronakrise trifft die Verwundbarsten am härtesten. Viele Filipinos arbeiten nach dem Prinzip «keine Arbeit, kein Lohn». Trifft Covid-19 eine bereits arme Familie, wird es für sie extrem schwierig, Die Regierung müsste jetzt alles tun, um die Schwächsten zu schützen.
  4. Was werden die Folgen der Coronakrise sein?
    Mit der Pandemie endet eine 21-jährige Wachstumsphase, eine Rezession scheint unvermeidlich. Noch mehr beunruhigt mich die Aushöhlung der Demokratie, die Unterdrückung der bürgerlichen Freiheiten und der Menschenrechte. Der Überwachungsstaat ist auf dem Vormarsch.
  5. Gibt es auch Anlass zur Hoffnung?
    Es war und ist herzerwärmend zu sehen, wie sich die Filipinos gegenseitig helfen. Hoffnung gibt mir auch, wie sie landesweit gegen die Abschaltung eines populären TV-Kanals protestierten. Auch der Kampf gegen die Offshore-Glücksspielindustrie geht weiter. Filipinos verteidigen ihre Rechte.