Analyse zum Untergang von USAID

Entwicklungszusammenarbeit ist systemrelevant

17.02.2025, Internationale Zusammenarbeit

Viel wurde in den letzten Tagen über die drastische Zerschlagung der amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID geschrieben. Mittlerweile ist klar, dass nicht nur die Art und Weise, wie die Behörde zerstört wurde, undemokratisch und gesetzeswidrig war, sondern auch, dass die Auswirkungen dieser Entscheidung weltweit dramatisch sind. Trotz ihrer gern gelobten humanitären Tradition und ihrem Einsatz für den Multilateralismus durch das internationale Genf glänzt die offizielle Schweiz nach wie vor mit Schweigen.

Kristina Lanz
Kristina Lanz

Expertin für internationale Zusammenarbeit

Entwicklungszusammenarbeit ist systemrelevant

Protestierende fordern vom US-Kongress die Rettung von USAID © KEYSTONE / CQ Roll Call / Newscom / Tom Williams 

Die US-Entwicklungsbehörde USAID wurde 1961 von John F. Kennedy gegründet. Seither hat sie sich zur grössten Entwicklungsagentur der Welt entwickelt. Mit einem Budget von 40 Milliarden US-Dollar pro Jahr (was weniger als 1% der amerikanischen Staatsausgaben ausmacht) verfügt sie über etwa 40% der gesamten staatlichen Entwicklungsgelder aller  Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nun wurde sie innerhalb weniger Wochen komplett handlungsunfähig gemacht. Elon Musk, der reichste Mann der Welt, welcher ohne offizielles Mandat eine von Trump erschaffene Behörde für Regierungseffizienz (DOGE) leitet, führt den Feldzug gegen USAID an. In einer Reihe hasserfüllter Tweets nannte er die Entwicklungsagentur einen «Apfel voller Würmer», « ein Vipernnest» oder eine « kriminelle Organisation» und verlangte, dass sie stirbt. Kurz darauf soll unter seiner Anweisung ein Mail an alle Mitarbeitenden verschickt worden sein, in dem diese aufgefordert wurden, zu Hause zu bleiben. 

Dann ging es Schlag auf Schlag. Führungskräfte wurden entlassen oder beurlaubt. Die USAID-Website, ihr X-Account und die Email-Accounts der Mitarbeitenden waren plötzlich nicht mehr zugänglich. Zudem hat sich Musk widerrechtlich Zugang zu sensiblen Daten der Behörde verschafft, indem eine Gruppe junger IT-Spezialist:innen (die sogenannten «Doge Kids») - aggressiv und gegen die Anordnungen des Sicherheitspersonals – in die Büros der US-Behörde eingedrungen sind. Auf gleiche Weise beschafften sich die Doge Kids sensible Daten des Gesundheits-, Bildungs- und Finanzministeriums. Senator Chuck Schumer bezeichnete die Gruppe als «eine nicht gewählte Schattenregierung … die eine feindliche Übernahme der Bundesregierung durchführt».

Obwohl der Stopp der Entwicklungsprogramme offiziell nur für 90 Tage gilt und «lebensnotwendige humanitäre Programme» eine Ausnahmebewilligung beantragen dürfen, machen die Handlungen von Trump und Musk allen Anschein, dass USAID nicht mehr ins Leben zurückgerufen wird. So teilen verschiedene Partnerorganisationen mit, dass sie ihre Programme trotz Ausnahmebewilligung nicht weiterführen können, da Musk’s Doge Kids das Zahlungssystem der gesamten Organisation lahmgelegt haben. Zudem hat Trump mittlerweile in einem neuen Regierungsdekret die Behörde aufgefordert, weitere Ausnahmebewilligungen auszusetzen. Zynischerweise werden einzig die militärische Hilfe an Israel und Ägypten unverändert weitergeführt. Mittlerweile wurden alle Angestellten aufgefordert, in die USA zurückzureisen, der Schriftzug «USAID» wurde von den Büros in New York entfernt und die Behörde wird in offizieller Kommunikation als «ehemalige USAID» betitelt. Eine Behörde, welche durch den amerikanischen Kongress geschaffen wurde, deren Budget jährlich vom Kongress genehmigt wird, wurde innerhalb weniger Wochen durch einen nicht gewählten Regierungsvertreter «in den Häcksler geworfen» (um Musk’s Worte zu benutzen). 

Auch wenn mittlerweile in den USA mehrere Klagen gegen das Vorgehen von Trump und Musk eingereicht wurden, ist unklar, ob diese tatsächlich eine Wirkung haben werden, da einerseits ein Grossteil der Judikative von Republikanern dominiert wird und anderseits Aussagen von Präsident Trump und seinem Vize Vance nahelegen, dass allfällige Gerichtsurteile, welche Trumps exekutive Macht beschneiden wollen, ignoriert würden.

Weltweit verheerende Folgen

Die Schliessung von USAID ist nicht nur aus demokratiepolitischer Sicht fatal, sie zieht auch weltweit massive Konsequenzen mit sich. Da USAID viele Projekte gemeinsam mit anderen Organisationen durchführt, wird das internationale Entwicklungssystem als Ganzes massiv geschwächt. Neben fast 10’000 USAID-Angestellten, welche mehr oder weniger über Nacht ihren Job verloren haben, sind auch in Partnerorganisationen, welche für USAID Projekte umsetzen, bereits Tausende von Stellen gestrichen worden. Schätzungen gehen davon aus, dass bereits über 50'000 Stellen verloren gegangen sind und diese Zahl in den nächsten Monaten auf über 100'000 ansteigen wird. Auch verschiedene Schweizer NGOs müssen mehreren Hundert lokalen Mitarbeiter:innen kündigen. Viele kleinere Partnerorganisationen in den Ländern des Südens haben ihre Türen bereits ganz geschlossen. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die Schliessung von USAID lebensbedrohliche Konsequenzen für Millionen von Menschen hat. Ein Beispiel ist der Gesundheitsbereich, in dem USAID eine Vorreiterrolle einnimmt: Durch ihren Wegfall werden nun Millionen von Menschen nicht weiter mit lebenswichtigen Medikamenten versorgt. Die afrikanische Gesundheitsbehörde CDC Africa rechnet mit zwei bis vier Millionen Toten pro Jahr als Resultat.

Die abrupte Schliessung von USAID führt unter anderem dazu, dass Tonnen von Essen in Lagerhäusern verrotten, während hunderttausende von Kindern auf ihre Schulmahlzeit warten oder 11.7 Millionen Mädchen und Frauen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, was das Risiko von ungewollten Schwangerschaften und Geburtskomplikationen massiv erhöht.

Auch die unabhängige mediale Berichterstattung wird in vielen Ländern massiv leiden. So finanzierte USAID im Jahr 2023 die Ausbildung und Unterstützung von 6200 Journalist:innen, unterstützte 707 nichtstaatliche Nachrichtensender und 279 zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Stärkung unabhängiger Medien in mehr als 30 Ländern einsetzen, darunter in Iran, Afghanistan und Russland.

Sicherheitspolitische Risiken nehmen zu

Es ist klar, dass sich weder Trump noch Musk um die Menschen oder den Untergang vieler NGOs im Globalen Süden kümmern. Auch hierzulande jubeln bereits einige Gegner:innen der Entwicklungszusammenarbeit und wünschen sich eine Abschaffung der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Die abrupte Schliessung von USAID birgt aber mittel- bis langfristig auch massive sicherheitspolitische Risiken – und zwar weltweit. So ist USAID beispielsweise zu einem grossen Teil verantwortlich für die Überwachung und Eindämmung des Ebola-Virus in Westafrika sowie die Überwachung der Vogelgrippe in 48 Ländern. Gemeinsam mit dem Ausstieg der USA aus der Weltgesundheitsorganisation hat dies fatale Konsequenzen und die Risiken einer Pandemie weltweit steigen an.

Der Wegfall überlebenswichtiger Nothilfe in Kriegs- und Krisengebieten kann zudem schnell zu neuen Migrationswellen führen. Verschiedene Expert:innen warnen bereits jetzt, dass das Vakuum, das durch die Zerschlagung von USAID entsteht, Ländern wie China und Russland zu Gute kommen wird, die nun gerne mit gewohnt anti-westlicher Rhetorik in die Bresche springen werden. So kritisiert sogar die NZZ, welche ansonsten der Entwicklungszusammenarbeit eher kritisch gegenübersteht, den Entscheid der US-Regierung mit den Worten:

 

«Die Soft Power der Auslandhilfe und der Schutz der eigenen Souveränität sind unmittelbar miteinander verbunden. Zu einer integralen Sicherheitspolitik gehört humanitäres Engagement ebenso wie militärische Mittel. Die Finanzierung gegeneinander auszuspielen, hilft den Gegnern einer regelbasierten Ordnung.» 

(NZZ, «Trump spielt Putin in die Hände», Georg Häsler und Forrest Rogers, 10.2.2025)

 

Krise als Chance?

Die Zerstörung von USAID kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Klimakrise weltweit zuspitzt und die Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in immer weitere Ferne rückt. So schätzt die OECD die Finanzierungslücke zur Erreichung der SDGs bis 2030 auf mittlerweile 6.4 Milliarden US-Dollar. Gleichzeitig haben in den letzten Jahren bereits mehrere europäische Länder, darunter die Schweiz, ihre Entwicklungsgelder gekürzt, und auch die Lücke bei der internationalen Klimafinanzierung wird immer grösser.

Mehr und mehr Staaten verschanzen sich aktuell hinter nationalistischen Eigeninteressen, und rechtsradikale Propaganda scheint vielerorts wieder salonfähig zu werden. Dies trifft neben wichtigen Errungenschaften in den Bereichen Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Rassismusbekämpfung auch die Entwicklungszusammenarbeit stark.

Gewiss gibt es im weltweiten Entwicklungssystem Reformbedarf – zum Beispiel müssen lokale Akteure vermehrt in die Gestaltung und Umsetzung von Projekten involviert werden. Eine offene Debatte über die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit ist zu begrüssen. Was aber mit USAID passiert, ist das genaue Gegenteil. Die radikale Politik von Trump und Musk zeigt nicht nur klar auf, was für fatale Konsequenzen die abrupte Abschaffung einer Entwicklungsagentur weltweit hat, sondern auch, wie schnell eine Demokratie zu Bruch gehen und rechtsradikale Ideologie und Rhetorik sich durchsetzen kann.

Umso wichtiger erscheint es, dass Länder wie die Schweiz, welche sich gerne mit ihrer Demokratie und ihren humanitären Werten brüsten, nun klar Position beziehen und den antidemokratischen Abbau von USAID scharf verurteilen. Zudem ist die Schweiz, welche zudem mit dem internationalen Genf einen Knotenpunkt der internationalen Zusammenarbeit beherbergt, nun gemeinsam mit anderen Geberländern, aufgefordert, den Ausfall von USAID finanziell abzufedern und sich langfristig als Verfechterin des Multilateralismus und der Demokratie zu positionieren. Nur so kann die Krise, in die Trump und seine Gefolgsleute die ganze Welt zu stürzen scheint, vielleicht doch noch eine Chance darstellen.