von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud
Rund zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger der Schweiz wünschen sich, dass unser Land seine Entwicklungsausgaben erhöht. Sie sind der Ansicht, dass die Entwicklungszusammenarbeit im Interesse der Schweiz ist und zur Sicherheit in der Welt beiträgt. Zu diesem Schluss kommt die kürzlich veröffentlichte Studie «Sicherheit 2019» der Militärakademie und des Zentrums für Sicherheitsstudien der ETH. In der Suisse romande sprechen sich sogar mehr als 80% der Bürgerinnen und Bürger für einen Ausbau der Entwicklungszusammenarbeit aus.
Der Bundesrat lässt sich vom grossen Rückhalt, den die Entwicklungszusammenarbeit in der Bevölkerung geniesst, nicht beeindrucken. Im Entwurf zur Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2021-2024 schlägt er vor, dass die Schweiz in den kommenden Jahren gerade einmal 0,45% ihres Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungshilfe aufwenden soll. 2016 waren es immerhin 0,53%. Seither musste die Entwicklungszusammenarbeit massive Einsparungen über sich ergehen lassen; trotz jährlicher Milliardenüberschüsse in der Bundeskasse.
Die reiche Schweiz gibt aktuell einen kleineren Anteil ihres Nationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aus als der Durchschnitt aller EU-Staaten. Abzüglich der Asylausgaben, die absurderweise auch zur öffentlichen Entwicklungshilfe gerechnet werden können, soll dieser Anteil in den nächsten Jahren gar nur 0,4% betragen.
Der Botschaftsentwurf zur zukünftigen internationalen Zusammenarbeit der Schweiz lässt aber nicht nur in Sachen Finanzen zu wünschen übrig. Er ist auch in strategischer Hinsicht oberflächlich und lückenhaft. So fehlt das klare Bekenntnis, dass die Reduktion von Armut und die Stärkung der Zivilgesellschaft weiterhin Hauptziele des Schweizer Engagements sein sollen. Die Reduktion von Armut ist nur dann und dort noch ein Ziel, wo dies auch aus migrationspolitischen Gründen opportun erscheint.
Stattdessen soll die Entwicklungszusammenarbeit vor allem auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und Partnerschaften mit privatwirtschaftlichen Akteuren ausgerichtet werden. Es fehlt der entscheidende Hinweis darauf, dass es dabei um menschenwürdige Arbeit im Rahmen einer ökologisch nachhaltigen Produktionsweise gehen muss. Welche Kriterien die privatwirtschaftlichen Partner in Sachen Menschenrechte, Umweltschutz und fairer Besteuerung erfüllen sollen, bleibt im Botschaftsentwurf ungeklärt.
Alliance Sud wird sich in ihrer Vernehmlassungsantwort für eine Botschaft einsetzen, welche die Umsetzung der Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ins Zentrum stellt. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit muss dem Kampf gegen Armut und der Linderung von Not dienen. Und sie soll in ihren Partnerländern mehr denn je all jene zivilgesellschaftlichen Kräfte unterstützen, die für soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit einstehen.