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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
Artikel, Global
10.12.2020, Entwicklungsfinanzierung
Die Agenda 2030 beruht auf der bis anhin ambitioniertesten Finanzierungsstrategie: Ist es realistisch zu glauben, dass Billionen für die nachhaltigen Entwicklungsziele mobilisiert werden können?
Zusätzlich zu öffentlichen Geldern gelten private – nationale und internationale – Finanzierungsquellen als unabdingbar. Gewisse Kreise sehen darin sogar den Königsweg zur Deckung der Finanzierungslücke. Zu diesen privaten Mitteln gehören namentlich private Investitionen, aber auch Philanthropie und Rücküberweisungen. In seiner Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2021-2024 setzt sich der Bundesrat dafür ein, die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu diversifizieren und zu intensivieren; er beabsichtigt, Gelder der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (APD) so einzusetzen, dass damit «zusätzliche private Mittel» für eine nachhaltige Entwicklung mobilisiert werden.
Zu den neuen Finanzierungsinstrumenten, mit welchen private Mittel in die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung gelenkt werden sollen, gehört insbesondere der Ansatz der Mischfinanzierung (Blended Finance). Dabei sind die Erwartungen enorm, die bis heute erzielten Resultate allerdings eher bescheiden.
Versuchen wir, anhand von fünf Fragen Klarheit zu schaffen:
1. Blended Finance: Worum geht es?
Für Blended Finance gibt es keine allgemein gültige Definition. Die Idee dahinter ist aber, dass Finanzmittel und andere Ressourcen (Personal, Fachwissen, politische Kontakte etc.) aus der bilateralen und multilateralen öffentlichen Entwicklungshilfe zur Mobilisierung von Investitionen des Privatsektors zugunsten der nachhaltigen Entwicklung als «Hebel» eingesetzt werden können.
2. Welche Modelle existieren zurzeit?
In der Praxis funktioniert Blended Finance wie folgt: Private Investoren streben in der Regel einen finanziellen Ertrag an, der in einem angemessenen Verhältnis zum Investitionsrisiko steht, also eine dem Risiko angepasste Rendite. Je höher das – reale oder wahrgenommene – Risiko ist, desto höher muss die angestrebte Rendite zum Ausgleich dieses Risikos sein.
In der öffentlichen Finanzierung (bilateral oder multilateral) gibt es grundsätzlich zwei Ansätze, mit denen Privatinvestoren für Projekte gewonnen werden, die (a priori) nicht den risikobedingten Renditeerwartungen entsprechen: Zum einen kann das Investitionsrisiko für den privaten Investor gesenkt werden («de-risking»); zum anderen kann der potenzielle Ertrag für den privaten Investor erhöht werden.
Die Risikosenkung mittels Instrumenten wie Garantien oder Erstverlustkapital («first-loss» capital) wird in der Regel bei Projekten angewandt, die eine ausreichende Rentabilität, aber ein als erhöht eingeschätztes Ausfall- oder Wertminderungsrisiko aufweisen. Die Ertragssteigerung kann über Darlehen zu Vorzugskonditionen, welche dem Investor zur Kompensation gewisser Projektkosten gewährt werden, oder über eine Kapitalbeteiligung erreicht werden. So erhalten private Anleger einen Anreiz zu investieren. Eine weitere Möglichkeit ist die technische Hilfe zur Senkung gewisser Transaktionskosten (beispielsweise in Form von Machbarkeitsstudien).
Beide Ansätze – sowohl die Risikosenkung wie auch die Ertragssteigerung – kommen einer Subventionierung von privaten Investoren durch Gelder der öffentlichen Entwicklungshilfe gleich.
3. Welche Vorteile bringt das für die Ärmsten?
Dies ist die zentrale Frage. Laut dem Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit werden durch letztere «in erster Linie die ärmeren Entwicklungsländer, Regionen und Bevölkerungsgruppen» unterstützt (Artikel 5/2). Bis zum heutigen Tag ist in den ärmsten Ländern jedoch kaum ein Nutzen dieser Mischfinanzierung erkennbar.
Zwar verzeichnen Mischfinanzierungen ein rasantes Wachstum, doch wurden die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) bisher umgangen. Empfänger der meisten Blended Finance-Transaktionen sind die Länder mit mittlerem Einkommen (MICs), und dort sind es hauptsächlich die Sektoren mit der höchsten Kapitalrendite, die davon profitieren – wie die Bereiche Energie, Finanzdienstleistungen, Industrie, Bergbau und Bauwesen. Kaum betroffen sind Sektoren wie Bildung oder Gesundheit.
4. Welches sind die Risiken?
Blended Finance birgt die folgenden Risiken:
In ihrem Positionspapier «Blended Finance – Mischfinanzierungen und Entwicklungszusammenarbeit» hat Alliance Sud das Potenzial, die Grenzen und Risiken von Blended Finance ausführlich analysiert und Empfehlungen formuliert.
5. Was sind die Alternativen?
Es stellt sich generell die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Einsatz von Blended Finance und Partnerschaften zwischen Akteuren der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit und privaten Unternehmen die (hohen) Erwartungen, die an sie gestellt werden, erfüllen können. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Addis Ababa Action Agenda (AAAA) die Mobilisierung inländischer öffentlicher Mittel als vorrangigen Interventionsbereich für die Entwicklungsfinanzierung festlegt hat und dass diesbezüglich die Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse unabdingbar ist.
Darüber hinaus ist in Bezug auf die Entwicklung des Privatsektors lokalen Unternehmen, insbesondere Kleinst-, Klein- und mittelgrossen Unternehmen (KMU) – mit besonderem Augenmerk auf Betrieben, die von Frauen geführt werden –, sowie den nationalen Finanzmärkten Priorität einzuräumen. Blended Finance kann also nur eines von mehreren Finanzierungsinstrumenten zur Umsetzung der Agenda 2030 dienen.
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