Meinung

Bergbau: geschlechtsspezifische Auswirkungen

13.06.2023, Internationale Zusammenarbeit

Wenn Bergbauunternehmen in Südafrika in bewohnte Gebiete vordringen und dort mit dem Abbau beginnen, sind nicht nur Minenarbeiter von den negativen Konsequenzen betroffen. Von Asanda-Jonas Benya, University of Cape Town

Bergbau: geschlechtsspezifische Auswirkungen

Frauen schieben Schubkarren auf die Halde einer Kohlemine im Kohlekraftwerk Duvha, östlich von Johannesburg.
© Denis Farrell / AP Photo / Keystone

2022 gab mir Fastenaktion eine Studie über die geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Bergbaus auf die Arbeiter.innen und die Bevölkerung in den betroffenen Gemeinden in Auftrag. Durch eine geschlechtsspezifische Linse betrachtet und mit dem Fokus auf die südafrikanische Stadt Mtubatuba zeichnet der Bericht ein differenziertes Bild darüber, welchen Einfluss die Minentätigkeit auf die Menschen in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal hat.

In Somkhele befindet sich Thendele, eine der grössten Minen Südafrikas, in der Anthrazit im Tagebau gewonnen wird. Das Leben der Menschen ist hier geprägt von Enteignung, Vertreibung vom Land der Vorfahren, der gewaltsamen Zerstörung von Häusern, der Aushebung von Ahnengräbern und rücksichtslosen Neubestattungen, wobei unter Missachtung der Würde der Verstorbenen Rituale und Kultur ignoriert werden. Ackerbau und Viehzucht fallen der Wasser-, Boden- und Luftverschmutzung zum Opfer. Weideflächen verschwinden, weil die Mine expandiert und gemeinschaftlich verwaltetes Land als Privateigentum beansprucht. Die verheerende Umweltzerstörung wird nach jeder Sprengung im Kohletagebau augenfällig: Das ganze Dorf hüllt sich in Kohlesmog, wodurch das soziale Leben in Somkhele empfindlich gestört wird. Die Menschen werden ihrer Lebensgrundlagen und ihres Identitätsgefühls beraubt.

Die Umweltzerstörung erstreckt sich über alle Dörfer in der Region und manifestiert sich in verseuchten und zerstörten Wasserquellen, Vegetation und Böden, was grosse Ernährungsunsicherheit und Armut nach sich zieht. Darüber hinaus führt giftiger Staub zu schweren Gesundheitsproblemen wie Atemwegs-, Augen- und Hautkrankheiten, von denen sowohl junge als auch alte Menschen betroffen sind. Eltern berichteten, dass ihre Kinder unter entzündeten und tränenden Augen, Schmerzen in Brust und Hals, laufender Nase, Kopfschmerzen und Nasennebenhöhlenentzündungen leiden. Traditionelle Heiler, die erste Anlaufstelle für kranke Dorfbewohner:innen, finden die Kräuter nicht mehr, die sie seit Generationen zur Heilung von Kranken verwenden. Wertvolle einheimische Kräuter und Bäume wurden beseitigt, um Platz für die Mine zu schaffen, und jene, die noch wachsen, sind durch den Kohlestaub unbrauchbar geworden.

Es sind vor allem männliche Bergleute, die in den Minen arbeiten. Sie berichten von unwürdigen Arbeitsbedingungen. In der Thendele-Mine werden die meisten Arbeitenden über Subunternehmer und nicht direkt durch das Bergbauunternehmen eingestellt. Durch die Vergabe von Unteraufträgen profitiert das Unternehmen finanziell erheblich; es kann einen Teil der Verantwortung an Dritte abgeben, die oft die gesetzlichen, arbeits-, gesundheits- und sicherheitsrelevanten Anforderungen ignorieren oder unterlaufen. Das Leben der Arbeiter ist geprägt von niedrigen Löhnen, einer schwachen oder gar keiner gewerkschaftlichen Vertretung sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken. Oft werden die Arbeiter:innen dazu angehalten, die Produktionsziele auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit und Sicherheit zu erreichen. Sie sehen sich mit willkürlichen Entlassungen konfrontiert und ohne Mitspracherecht werden ihre Vereinigungsfreiheit und ihr Recht auf Tarifverhandlungen sowie ihre Bürgerrechte am Arbeitsplatz missachtet.

Frauen tragen die grösste Last

Die Folgen dieser miserablen Arbeitsbedingungen und der Zerstörung der Lebensgrundlagen wirken sich in stark unterschiedlicher Art auf die Geschlechter aus. In den Dörfern und im Haushalt sind es die Frauen, welche die Last übermässig stark auffangen, da sie – gesellschaftlich und kulturell bedingt – mit Betreuungsarbeit und anderen häuslichen Aufgaben wie der Versorgung der Familie und der Sicherstellung eines optimal funktionierenden Haushalts betraut sind. Am Arbeitsplatz haben Männer aufgrund ihrer zahlenmässigen Dominanz die Hauptlast zu tragen; sie befinden sich sozusagen im Zentrum des Ausbeutungssystems. Männer, die an der Lunge erkranken, können aufgrund der prekären Arbeitsverträge von den Minenunternehmen problemlos entlassen werden. Nachdem sie die besten Jahre ihres Lebens für die Mine geopfert haben, kümmert sich das Unternehmen nicht mehr um sie, weder um ihre physische noch um ihre psychische Gesundheit, welche aus dem Gefühl der Nutzlosigkeit heraus ebenfalls Schaden nimmt, weil sie nicht mehr in der Lage sind, für ihre Familien zu sorgen. Diese «unsichtbaren», psychischen Probleme äussern sich häufig in Form von Gewalt; aber auch das wird ignoriert, da Gewalt und schwarze Männlichkeitstypologie schon lange synonym verwendet werden.

Die kranken Männer, die oft auch Träger von übertragbaren Krankheiten sind, werden nach Hause geschickt und von ihren Ehefrauen gepflegt. Um den finanziellen Aufwand dafür zu decken, sind die Familien gezwungen, ihr Vieh zu verkaufen und Ersparnisse aufzubrauchen. Die Ehefrauen setzen alles daran, das Leiden zu lindern, das durch gesundheitliche Probleme, daraus resultierenden Selbsthass der ausgemusterten Bergleute und das «Unvermögen», auf dem enteigneten Land der Vorfahren für Essen zu sorgen, verursacht wird. Ehefrauen und Mädchen kümmern sich um die kranken Männer und während sie bestrebt sind, deren Würde und Selbstwertgefühl zu retten, sind auch sie den Krankheiten ausgesetzt, welche die Männer von der Kohlefront mitbringen und manchmal sogar ihren Tod verursachen.

In den Interviews und Fokusgruppendiskussionen, die im Rahmen der Studie geführt wurden, zeigte sich, dass die Mine die Armut von Familien, die früher auf eigenen Füssen standen, verschärft hat. Nur eine Handvoll politischer Eliten, das lokale Kleinbürgertum – jene, die Aufträge vom Bergbauunternehmen erhalten, LKW- und Taxibesitzer –, also nur eine Minderheit profitiert. Selbst die Lebensumstände dieser Menschen bleiben prekär, und der Preis, den sie mit ihrer Gesundheit, ihrem Land und den Gräbern ihrer Vorfahren zahlen, ist weit höher als das, was sie durch die Aufträge erwirtschaften können. Immer wieder war zu hören: «Sie nahmen unser Land und gaben uns R420’000 [entspricht ca. 19'000 CHF], Krankheiten, Armut und einen Putzjob». Und das, nachdem die Menschen ihr angestammtes Land aufgegeben hatten oder gewaltsam von dort vertrieben worden waren. Sie fragten: «Wie kann die Mine uns alles nehmen, was uns ernährt hat, und nur einer Person einen Arbeitsvertrag geben?» In der Gemeinschaft herrscht Unmut, der sich in Protesten gegen die Mine äussert. Diese Proteste, sowohl am Arbeitsplatz als auch in der Gemeinschaft, sind geprägt von Gewalt, der Einschüchterung lokaler Aktivist:innen und der Ermordung von Gegner:innen des Bergbaus.

Globale Solidarität ist ausschlaggebend

Zwar spielte der Bergbau in Südafrika eine zentrale Rolle bei der Schaffung des sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gefüges Südafrikas, insgesamt hat die Bevölkerung jedoch das Nachsehen. Das vermeintliche Wohlwollen der Bergbauunternehmen und ihrer PR-Maschinerie, deren beschönigende Darstellungen und ihre Versprechen vom Segen des Wirtschaftswachstums haben die Rechte der Menschen auf Leben, Sicherheit, Nahrung, Wasser, Wohnraum, Kultur und auf eine sichere Umwelt mit Füssen getreten. Um die Unternehmen dafür zur Rechenschaft zu ziehen, braucht es die dringende und aufrichtige Aufmerksamkeit der Regierung. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die globale Solidarität von gleichgesinnten Organisationen und Aktivist:nnen, die auch für viele andere Gemeinschaften im Globalen Süden, die auf gleiche Weise betroffen sind, ein Zeichen setzen können.

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© Asanda-Jonas Benya


Asanda-Jonas Benya ist Soziologin an der Universität Kapstadt, Südafrika, und derzeit Gastdozentin am Graduate Institute in Genf.