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Asylkosten: Der grosse Etikettenschwindel
26.06.2017, Entwicklungsfinanzierung
Auch 2016 blieb jeder fünfte Franken an öffentlichen Entwicklungsgeldern im Inland. Die Schweiz ist damit die grösste Empfängerin ihrer eigenen Entwicklungsgelder.
von Nathalie Bardill, ehemalige Mitarbeiterin bei Alliance Sud
Anfang April veröffentlichten das EDA und die OECD kurz nacheinander ihre neusten Zahlen zur Entwicklung der öffentlichen Entwicklungsgelder (aide publique au développement, APD). Die Schweizer APD-Quote stieg – gemessen am Bruttonationaleinkommen BNE – im Jahr 2016 auf 0.54%. Dieser Anstieg verblüfft angesichts sinkender Anteile der eigentlichen Entwicklungszusammenarbeit auf 0.39% gegenüber 0.41% im Vorjahr, wie das EDA kommunizierte. Der Rückgang in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe wurde demnach durch den steigenden Anteil an Asylkosten wettgemacht. Konkret sind 19.4% der Schweizer APD-Gelder ins Asylwesen geflossen. Alliance Sud verurteilt diese von der OECD zugelassene Anrechnungspraxis klar.
Im internationalen Vergleich des Entwicklungsausschusses (DAC) der OECD bewegt sich die Schweizer APD-Quote weiterhin in den Top Ten. Doch darunter gibt es Länder wie beispielsweise Deutschland, die trotz hoher Asylkosten weiterhin zusätzliche Mittel für die eigentliche Entwicklungshilfe bereitstellen. In der Spitzengruppe liegen die Quoten der ‚genuinen Entwicklungsmittel‘ (also ohne Asylkosten) von Norwegen, Luxemburg und beinahe auch Schweden immer noch doppelt so hoch wie in der Schweiz.
Seit 1998 rechnet die Schweiz ihre Asylkosten an die APD an. Zwischen 2004 und 2013 sogar am Grosszügigsten – sie übertraf damit das zweitplatzierte Geberland fast um das Doppelte. Seither wurde die Schweiz zwar von einigen Ländern überflügelt, sie bewegt sich aber immer noch in der Spitzengruppe. Es sind hauptsächlich EU-Länder, die seit 2014 vermehrt Asylkosten anrechnen. Löbliche Ausnahme ist da Luxemburg. Auch Frankreich, das Vereinigte Königreich und Irland rechnen nur einen kleinen Prozentsatz der Asylkosten an.
Der Etikettenschwindel mit der Anrechenbarkeit von Asylausgaben als APD verhindert eine echte Vergleichbarkeit der APD-Quoten der Mitgliedsländer des DAC, denn die Berechnungsmethoden der Asylkosten unterscheiden sich von Land zu Land. Der DAC hat darum 2016 einen Klärungsprozess der Methodologien eingeleitet, der im besten – aber unwahrscheinlichen – Fall dazu führen wird, dass die Anrechenbarkeit der Asylkosten eingeschränkt oder gar ganz ausgeschlossen wird. Für den DAC-Vorstand ist das Asylwesen zwar eine wichtige Aufgabe der Mitgliedsländer, trotzdem beobachtet er die Anrechnung der Asylkosten kritisch und mahnt, dass die Mitgliedsländer deswegen ihr Engagement für langfristige Entwicklungszusammenarbeit nicht vernachlässigen sollen. Ob die DAC-Mitglieder die Ansicht ihres Vorstands teilen, wird sich in diesem Klärungsprozess zeigen. Inwiefern in Zukunft Asylkosten geltend gemacht werden können, hängt auch von der Einigung auf die neue OECD-Messgrössse TOSSD (Total Offical Support for Sustainable Development) ab, welche die gesamten Finanzflüsse in Entwicklungsländer abbilden soll und in welche Asylkosten ausgelagert werden könnten. Kann man sich nicht auf TOSSD einigen, so droht, dass die APD noch zusätzlich mit entwicklungsfernen Kosten aufgebläht wird.
Gezerre um Zahlen
Die Ausgaben der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développment APD) sind dazu bestimmt, wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Empfängerländern zu fördern oder multilateralen Organisationen zuzukommen. 1970 versprachen die reichen Länder im Rahmen der Uno, 0.7% ihrer Wirtschaftsleistung (BNE) für die Entwicklung ärmerer Länder bereitzustellen. Die APD-Quote misst, inwiefern die OECD-Länder ihre Verantwortung gegenüber den Armen und Ärmsten dieser Welt nachkommen.
Seit 1992 dürfen die Kosten für die Versorgung und Unterbringung von Asylsuchenden im Inland angerechnet werden. So notwendig und sinnvoll diese Ausgaben sind, sie tragen nichts zur Entwicklung bei und werden daher von Alliance Sud wie auch dem DAC-Vorstand kritisiert.