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Analysefreies CSR-Papier des Seco
01.04.2015, Internationale Zusammenarbeit
Das Positionspapier des Bundesrats zur sozialen Unternehmensverantwortung (CSR) bestätigt, dass die Schweiz ausschliesslich auf Selbstregulierung und freiwillige Initiativen setzt.
von Michel Egger
Selbstregulierung und freiwillige Initiativen statt griffige gesetzliche Bestimmungen, damit «die Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung in der Schweiz und im Ausland» wahrnehmen. Das ist die Quintessenz des Berichts des Bundesrats zur Corporate Social Respoinsability (CSR).
In den vom Uno-Menschenrechtsrat einstimmig angenommenen Uno-Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte steht dagegen schwarz auf weiss: Es braucht einen «Smart Mix» aus staatlicher Regulierung und freiwilligem Handeln der Unternehmen. Die Leitprinzipien, für deren Umsetzung in der Schweiz ein Nationaler Aktionsplan ansteht, werden vom Seco-Papier lediglich als eine untergeordnete Massnahme unter Vielen behandelt.
Bei der Erarbeitung seines Positionspapiers hat das Seco (Staatsekretariat für Wirtschaft) auf den zwingend notwendigen ersten Schritt verzichtet: Es wurde keine Wirksamkeitsanalyse der bisherigen CSR-Massnahmen von Schweizer Unternehmen durchgeführt. Stattdessen steckt das Papier voller Behauptungen. Zwei Beispiele: «Die Verminderung von Sozial- und Umweltrisiken in globalen Wertschöpfungsketten kann somit die Lebenssituation auch in Entwicklungsländern verbessern und CSR damit die globale Nachhaltigkeit stärken.» Und: «Die Wahrnehmung der CSR auch in ökologischer Hinsicht hilft diese Lebensgrundlagen zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und die Lebensqualität zu verbessern sowie Kosten für die Gesellschaft zu vermeiden oder zu senken.» Man mag sich nicht Ausdenken, wie es in der Schweiz ohne eine Umweltgesetzgebung aussehen würde, die verbindliche Mindeststandards für alle Unternehmen vorgibt.
Im Gegensatz zum Schweizer Vorgehen hat die EU ausführlich untersucht, welchen Beitrag freiwillige CSR-Massnahmen tatsächlich leisten. Die dreijährige IMPACT-Studie kam zum ernüchternden Schluss, dass CSR zwar eine positive Wirkung hat, diese aber bei weitem nicht ausreicht, um die Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen. Damit bestätigt diese Studie einmal mehr, dass es einen Mix von gesetzlichen Massnahmen und darüber hinausgehendem Engagement der Unternehmen braucht, um die grossen sozialen und ökologischen Herausforderungen zu meistern.
Dies gilt ganz besonders für die Auslandstätigkeit von Schweizer Unternehmen und deren globale Wertschöpfungsketten. Hier setzt das SECO neben der Förderung von CSR im Ausland auch auf die Stärkung von Rechtsstaatlichkeit und Gouvernanz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Die international heiss diskutierte Frage, welche Rolle der rechtlichen Regulierung in den Heimatstaaten von Unternehmen zukommt, wird zwar kurz gestreift, dann aber gleich relativiert: Der Bund will hier einmal mehr auf «Alleingänge» verzichten. In Frankreich dagegen hat die Assemblée Nationale gestern in erster Lesung ein Gesetz über menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für die weltweite Geschäftstätigkeit von grossen französischen Unternehmen verabschiedet. In der Schweiz braucht es dafür offensichtlich neben dem Druck von aussen auch den von unten: Deshalb beginnen über 65 Organisationen Ende April mit der Unterschriftensammlung für die Konzernverantwortungsinitiative.
Folgende Schweizer NGOs haben während der Erarbeitung des Positionspapiers gemeinsam schriftlich Stellung genommen: Alliance Sud, Amnesty, Brot für Alle, Erklärung von Bern, Fastenopfer.