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WTO darf Entwicklungsfokus nicht aufgeben

11.12.2015, Handel und Investitionen

Alliance Sud fordert die Schweiz auf, sich an der 10. WTO-Ministerkonferenz in Nairobi für ein Resultat im Interesse der armen und ärmsten Länder einzusetzen.

Isolda Agazzi
Isolda Agazzi

Expertin für Handels- und Investitionspolitik sowie Medienverantwortliche Westschweiz

WTO darf Entwicklungsfokus nicht aufgeben

Vom 15. bis 18. Dezember findet die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) erstmals in Afrika statt. Paradoxerweise könnte das 10. Gipfeltreffen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi das Ende des Doha-Zyklus bedeuten, der die Interessen der Entwicklungsländer berücksichtigen sollte. Die Schweiz koordiniert eine Gruppe von Ländern mit mittleren Einkommen. Alliance Sud fordert die Schweiz auf, sich für ein Resultat im Interesse der armen und ärmsten Länder einzusetzen.

Wirtschafts-Nobelpreisträger Angus Deaton ist überzeugt, dass es gerechtere Handelsabkommen braucht, dies namentlich im Landwirtschaftsbereich, um die Entwicklungsländer aus der Armut zu führen. Doch die Welt war noch nie näher daran, genau das Gegenteil zu tun. Die WTO-Ministerkonferenz, die nächste Woche beginnt, könnte den sogenannten Doha-Zyklus definitiv beerdigen. Dieser wurde vor vierzehn Jahren lanciert, um den Welthandel zugunsten der Länder des Südens neu zu ordnen. Die Industrieländer mit den Vereinigten Staaten an der Spitze sind nur bereit, auf jene Subventionen von Agrarprodukte zu verzichten, die sie nicht mehr brauchen. Eine löbliche Ausnahme davon bilden die Schweiz und Kanada. Die Schweiz könnte also verpflichtet werden, das sogenannte «Schoggi-Gesetz» zu streichen, mit dem veredelte Agrarprodukte subventioniert werden.

Die Industrieländer sind solange zu keiner Konzession im Agrarbereich bereit, als die Entwicklungsländer kein Entgegenkommen bei den Industrieprodukten und den Dienstleistungen zeigen. Und dies obwohl die Landwirtschaft für die Entwicklungsländer zentral ist. Ihnen geht es um die Reduktion von Subventionen und von Zöllen, um eine dauerhafte Lösung in der Frage der Lagerung von Agrarerzeugnissen und den besonderen Schutzmechanismus.

Dabei gehörten zum Geist vom Doha einst die «weniger als vollständige Gegenseitigkeit» und die «besondere und differenzierte Behandlung» der Entwicklungsländer. Aber die Industrieländer, darunter die Schweiz, wollen davon nichts mehr wissen. Diese Behandlung soll nur noch für die Ärmsten (least developped countreis, LDC) gelten, denen minim entgegenkommen werden soll. Stattdessen wollen die reichen Länder im Rahmen der WTO über Themen wie Investitionen, das öffentliche Beschaffungswesen, das Konkurrenzrecht, den elektronischen Geschäftsverkehr u. ä. diskutieren.

In dieser Nord-Süd-Konfrontation reiht sich die Schweiz in den meisten Fällen unter die industrialisierten Länder ein. Als Koordinatorin einer Gruppe von mittelgrossen Ländern, den sogenannten Friends of the system, die am Fortbestehen eines multilateralen Handelssystems interessiert sind, könnte die Schweiz die Rolle einer Mediatorin spielen um entgegengesetzte Positionen zu überbrücken. Im Namen der Kohärenz ihrer Aussenpolitik sollte sich die Schweiz dafür einsetzen, die Regeln der WTO so weit wie möglich zugunsten den Entwicklungsländern zu reformieren.

Download des Positionspapiers von Alliance Sud zur WTO-Ministerkonferenz in Nairobi (auf Englisch)