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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
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25.03.2019, Handel und Investitionen
Die Welthandelsorganisation WTO gibt sich frauenfreundlich. Doch ein genauer Blick auf die Erklärung zu Frauen und Handel zeigt: Im Vordergrund steht eine Art Pink washing, eine plumpe Imagekorrektur.
Im Dezember 2017 verabschiedeten 121 WTO-Mitglieder auf der Ministerkonferenz von Buenos Aires eine Erklärung über Handel und wirtschaftliche Selbstbestimmung von Frauen. Sie zielt darauf ab, die Beteiligung von Frauen am internationalen Handel durch Stärkung des Unternehmertums von Frauen zu erhöhen. NGOs regierten auf diese Premiere in der Geschichte der Organisation mit dem Vorwurf, die WTO wolle sich aus Imagegründen ein grünes Mäntelchen umhängen. 200 feministische und verbündete Organisationen aus der ganzen Welt sehen in der Erklärung ein durchsichtiges Manöver, um den Kampf um die Gleichstellung der Geschlechter zu instrumentalisieren und das neoliberale Modell zu stärken. «Wir werden nicht zulassen, dass Frauen als trojanisches Pferd benutzt werden, um ein System zu erweitern, das ihr Leben und das Leben von Kindern, Bauern, Arbeitern und den Planeten zerstört!», sagte die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva. «Die von der WTO angeführten Liberalisierungen haben die Löhne und Arbeitsnormen auf ein historisch niedriges Niveau gedrückt und ausländischen Investoren ermöglicht, Frauen als flexible und billige Arbeitskräfte auszubeuten», ergänzt Joms Salvador von Gabriela, der philippinischen Frauenallianz.
Als Reaktion auf diese "falsche gute Idee" haben sich NGOs aus der ganzen Welt, darunter Alliance Sud, zu einer Gender and Trade-Koalition zusammengeschlossen, deren Unity statement einen ganz anderen Ton als die WTO anschlägt. Die Koalition versteht sich als feministische Allianz zur Handelsgerechtigkeit, um die negativen Auswirkungen von Handelsregeln auf die Rechte der Frauen anzugehen und politische Antworten zu entwickeln, die sich mit den strukturellen Ursachen der Verletzung der Menschenrechte von Frauen befassen. Kurz gesagt: Es geht darum aufzuzeigen, dass Handelspolitik nicht geschlechtsneutral ist. Denn Frauen sind nicht nur Unternehmerinnen, sondern u.a. auch jene Arbeitnehmerinnen, die am meisten unbezahlte Arbeit verrichten. Deregulierung und Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen untergraben ihre Rechte. Daraus erwächst die Forderung, den Wettbewerb durch Kooperation, Wachstum durch nachhaltige Entwicklung, Verbrauch durch Schonung der Ressourcen, Individualismus durch das Gemeinwohl und das Diktat des Marktes durch partizipative Demokratie zu ersetzen.
Seit der Annahme der Erklärung von Buenos Aires hat die WTO Seminare über Handel und Geschlechterfragen organisiert, so etwa Anfang Dezember letzten Jahres in Genf. Die Gender and Trade Coalition beschwerte sich in einem offenen Brief, dass sie nicht zu Wort gekommen sei. Am Seminar legte eine Vertreterin der Weltbank dar, dass exportierende Unternehmen, die in globale Wertschöpfungsketten integriert sind, proportional mehr Frauen beschäftigen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass «die meisten der von uns verwendeten Geschäftsmodelle davon ausgehen, dass es Vollbeschäftigung gibt, dass im informellen Sektor niemand beschäftigt ist und dass Frauen leicht von einem Sektor zum anderen wechseln können. Und wir wissen sehr wohl, dass diese Annahmen nicht zutreffen.» Eine Vertreterin des Internationalen Arbeitsamts (BIT) wies darauf hin, dass Frauen hauptsächlich in Sektoren arbeiten, die gar nicht von tieferen Zöllen profitiert haben – sowohl in Indien als auch in den Industrieländern. Die zentrale Frage, ob Handel geschlechtsneutral sei, wurde ebenso zustimmend wie vehement ablehnend beantwortet.
Immer mehr – nämlich 60 – der weltweit mehr als 500 Freihandelsabkommen (FHA) enthalten heute geschlechtsspezifische Bestimmungen. Die meisten betreffen die Zusammenarbeit der Geschlechter, andere deren Gleichstellung, internationale Gender-Instrumente oder nationale Gender-Politiken. Im Streitfall sieht jedoch nur gerade das FHA zwischen Kanada und Israel die Nutzung des Streitbeilegungsmechanismus vor; drei weitere sehen Konsultationen vor. Alle anderen, darunter sämtliche Freihandelsabkommen der Schweiz, enthalten keine spezifische Bestimmung zu Fragen des Geschlechts.
In einem kürzlich veröffentlichten Bericht schreibt die Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), «dass der regionale Integrationsprozess zwischen den Mitgliedern des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) die Ungleichheit der Geschlechter nur geringfügig verringert hat.» Zwar habe die Öffnung des Handels neue Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen geschaffen, die meisten dieser neuen Arbeitsplätze seien jedoch schlecht bezahlt und für gering Qualifizierte. Wirtschaftlich gestärkt würden Frauen erst dann, wenn die Region weniger von Landwirtschaft und Bergbau abhängig wäre. Die Mercosur-Staaten wären damit auch weniger anfälliger für externe Schocks und eher in der Lage, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.
Zur Erinnerung: Die Schweiz ist daran, ein FHA mit dem Mercosur auszuhandeln. Zu den von Alliance Sud geforderten Folgeabschätzungen eines solchen Abkommens gehört auch, dass dessen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Stärkung der Frauen untersucht wird.
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