Internationale Steuerpolitik

Zeichen der Hoffnung im Vatikan

20.03.2025, Finanzen und Steuern

Die päpstliche Akademie für Sozialwissenschaften hat zu einem Treffen zu Steuergerechtigkeit und Solidarität geladen. Doch nicht der Heilige Geist schwebte über den Teilnehmenden, sondern Donald Trump.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Zeichen der Hoffnung im Vatikan

Im Erlassjahr will der Vatikan die Schuldenarchitektur und das Steuersystem neu gestalten. Im Bild: Petersdom, Vatikanstadt. © Keystone/AFP/Tiziana Fabi

Man mag vom Monotheismus im Allgemeinen und der katholischen Kirche im Speziellen halten, was man will; unbestritten ist, dass dem ersten Papst aus dem Globalen Süden soziale Gerechtigkeit ein grosses Anliegen ist. Folgerichtig forderte Papst Franziskus schon vor drei Jahren ein Steuersystem, das «die Umverteilung des Reichtums begünstigen muss, die Würde der Armen und der Geringsten schützt, die immer Gefahr laufen, von den Mächtigen mit Füssen getreten zu werden».

Der «hochrangige Dialog» der päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften fand am 13. Februar 2025 gemeinsam mit der «Independent Commission for the Reform of Corporate Taxation» (ICRICT, siehe Kasten) statt. Die Veranstalter und der Ort des Treffens sorgten für eine eben «hochrangige» Teilnehmer:innenschar mit Nobelpreisträgern, Professor:innen, ehemaligen Staatspräsidenten (aktuelle wie Lula und Pedro Sánchez sandten Video-Botschaften), Verter:innen von UNO-Organisationen und der EU-Kommission. Und natürlich waren die NGOs, die ICRICT initiiert haben, mit dabei.

 

Die «Independent Commission for the Reform of Corporate Taxation» (ICRICT) wurde vor 10 Jahren auf Initiative von zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter Alliance Sud, ins Leben gerufen. Einerseits als fachliche Unterstützung, andererseits als Sprachrohr. Neben den Co-Chairs Jayati Ghosh und Joseph Stiglitz hat die Kommission 12 weitere Mitglieder aus Afrika, Asien, Lateinamerika, Ozeanien und Europa, darunter die frühere Europaparlamentarierin und Korruptions- und Geldwäschereiexpertin Eva Joly, der ehemalige kolumbianische Finanzminister José Antonio Ocampo oder der Wirtschaftsprofessor Thomas Picketty, Autor des Bestsellers «Das Kapital im 21. Jahrhundert».

 

Zur Eröffnung sagte die Präsidentin der päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften, Schwester Helen Alford, Papst Franziskus (der leider am selben Tag schwer erkrankt war) habe das Heilige Jahr 2025 unter das Motto «Zeichen der Hoffnung» gestellt. Und Zeichen der Hoffnung gab es im Schatten des Petersdoms trotz Trump – oder gerade wegen ihm.

Wie die Superreichen zu besteuern sind

Die ehemalige Premierministerin Senegals, Aminata Touré, erinnerte daran, dass Afrika jedes Jahr durch Steuerflucht und andere illegitime Finanzflüsse mehr Geld verliert, als alle Gelder für Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und ausländischen Investitionen auf dem Kontinent zusammen ergeben. Angesichts der wichtigen UNO-Treffen dieses Jahr, wie die 4. Financing for Development Konferenz (FfD4) oder der zweite Weltgipfel für soziale Entwicklung, hoffe sie, dass sich der gesunde Menschenverstand durchsetzen werde, «wonach wir in diesen Tagen alle Sehnsucht haben».

Dass sich die G20 unter der Führung von Brasilien im letzten Jahr grundsätzlich für eine höhere Besteuerung der Superreichen ausgesprochen hat, wurde von vielen als Zeichen der Hoffnung gesehen. Einer der glühendsten Verfechter dieser Idee, der französische Ökonomieprofessor Gabriel Zucman, erläuterte, dass Menschen mit einem Vermögen von 100 Millionen Dollar von allen gesellschaftlichen Gruppen am wenigsten Steuern bezahlen. Oder wie es Abigail Disney, Grossnichte und Erbin von Walt Disney, sagte: «Ich habe einen geringeren effektiven Steuersatz als mein Hauswart.» Wie genau eine Milliardärssteuer aussehen könnte, hat Zucman leider nicht weiter ausgeführt, worauf Edmund Valpy Fitzgerald, emeritierter Oxford-Professor für Entwicklungsfinanzierung, vor allem auf die Schwierigkeiten hinwies: Der absolut überwiegende Teil der Milliardär:innen sitzt im Norden, also braucht es die Kooperation dieser Länder. Die grossen Vermögen im Süden sind anders zu behandeln als diejenigen im Norden, deshalb braucht es angepasste Regeln. Und dann ist die Frage ungeklärt, wie der Steuerertrag zu Gunsten der Entwicklungsländer verwendet werden könnte und wer wieviel erhalten sollte. Doch - «die richtige Struktur könnte das EZA-System durch steuerfinanzierte Transfers auf der Basis von Bedürftigkeit und Möglichkeiten ablösen» - ein Zeichen der Hoffnung.

Neben diesem Ausflug zum Thema der Individualbesteuerung kehrte die Diskussion rasch wieder zu dem zurück, was die Kommission im Namen trägt: Die Reform der Unternehmenssteuern. Man war sich einig, dass die OECD-Mindeststeuer nicht funktioniert und die UNO das einzig richtige Forum für globale Steuerfragen ist. Von Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz kam die lapidare Einschätzung: «Das gute an schlechten Zeiten ist – es gibt ganz viel Raum für Verbesserungen». Und er sah das überraschendste Zeichen der Hoffnung: Der Rückzug von Trump aus den Verhandlungen über die UNO-Steuerkonvention. «In der Vergangenheit verhandelten die USA immer gleich. Sie verhandeln hart, zwingen alle zu Zugeständnissen, verwässern, nur um am Schluss dann das Abkommen nicht zu unterzeichnen oder zu ratifizieren.» Besser also, sie sind gar nicht mehr dabei. Er machte auch einen konkreten Vorschlag, wie auf Trump reagiert werden könnte, und zwar am Beispiel der Aussetzung des «Corrupt Foreign Practices Act», des Anti-Korruptionsgesetzes. Bestechung ist also wieder erlaubt, ja, «great for American business». Da diese Einladung zur Korruption gleich wirke wie Subventionen, so Stiglitz, könnten die Länder Gegenmassnahmen ergreifen, die die WTO bei Subventionen erlaubt. Oder sie könnten US-Multis besteuern, zur Klimafinanzierung oder um die Zerlegung von USAID abzufedern. «Reagiert kreativ auf eine disfunktionale Regierung in den USA!»

Etwas näher an der Realität war der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez in seiner Videobotschaft. Sehr klar sprach er sich für die Besteuerung der Superreichen aus, forderte eine ambitionierte Uno-Steuerkonvention und das Prinzip, dass die Besteuerung dort erfolgt, wo die Wertschöpfung anfällt. «Es stellt sich die einfache Frage: Steuern wir die globale Besteuerung oder lassen wir es zu, dass das System uns steuert?» Spanien kommt als Gastgeberland der FfD4 in Sevilla eine zentrale Rolle zu, seine klaren Worte sind deshalb ein Zeichen der Hoffnung.

Die indische Ökonomin und Co-Vorsitzende von ICRICT, Jayati Ghosh, ging noch einen Schritt weiter: «Herausfordernde Zeiten sind eine Chance, sich neu aufzustellen, neue Allianzen zu bilden und Alliierte zu finden, wo man sie nicht erwartet hat.» Wenn die europäischen Länder angesichts des Berserkers von Washington als treibende Kraft in den globalen Steuerverhandlungen auf Afrika zugehen würden, wäre das mehr als nur ein Zeichen der Hoffnung.

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