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Neuer EDA-Chef: Herausforderung Weltinnenpolitik

09.10.2017, Internationale Zusammenarbeit

Schweizer Aussenpolitik sei primär Europapolitik, suggerieren viele Medien. Dabei ist der neue Aussenminister Ignazio Cassis auch zuständig für die Entwicklungspolitik. Es warten grosse Herausforderungen.

Neuer EDA-Chef: Herausforderung Weltinnenpolitik
Augenschein vor Ort: Vor drei Jahren begleitete Ignazio Cassis die Entwicklungsorganisation FAIRMED nach Kamerun. Bis zu seiner Wahl in den Bundesrat wirkte Cassis als FAIRMED-Stiftungsrat.
© FAIRMED

von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud

Im Vorfeld der Ersatzwahl wurde in den Medien über (fast) alles gesprochen und geschrieben, nur nicht über die zukünftige Ausrichtung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Wenig ist bekannt darüber, wie Ignazio Cassis zur Entwicklungszusammenarbeit steht. Einen offenen Brief mit Fragen von Alliance Sud liess der FDP-Politiker aus dem Tessin unbeantwortet. Dabei steht die Verankerung der Schweiz in der Welt vor entscheidenden Weichenstellungen.

Entwicklung ist nicht gratis

Der neue Aussenminister wird kaum Zeit haben, eigene Vorstellungen über die Rolle der Schweiz in einer instabilen Welt zu entwickeln. Er wird sich sogleich vehement für das Budget seines Ministeriums einsetzen müssen. Jene Kräfte im Parlament und der Regierung, die sich als finanzpolitische Hardliner gefallen, wollen zwar mehr für die Landesverteidigung oder die Landwirtschaft ausgeben, bei der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz aber soll weiterhin anhaltend und drastisch gespart werden.

Nimmt Cassis den verfassungsmässigen Auftrag der internationalen Zusammenarbeit – die Linderung von Armut und Not.(Art. 54 BV) – ernst, so wird er sich vom ersten Tag an gegen den politischen Anspruch wehren müssen, dass die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz auch gleich den internationalen Klimaschutz finanzieren, die wirtschaftsdiplomatischen Beziehungen mit China fördern und die globale Flüchtlingskrise stoppen soll.  

Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung

Genauso wichtig ist, dass sich der neue Aussenminister für eine kohärente Schweizer Politik im Sinne der nachhaltigen Entwicklung stark macht. Das hat sein Vorgänger Didier Burkhalter nur bedingt begriffen. Tatsache ist, dass die Entwicklung ärmerer Länder massiv erschwert wird, wenn international tätige Unternehmen dort Menschenrechte verletzen, die Umwelt schädigen und ihre Gewinne schliesslich in Tiefsteuerparadiese wie die Schweiz verlagern. Auch ungerechte Handels- und Investitionsschutzabkommen, die wirtschaftliche Interessen höher gewichten als die Menschenrechte, den Umwelt- und den Klimaschutz, schaden der nachhaltigen Entwicklung -- sowohl im globalen Süden als auch im Norden.

Eigentlich müsste Cassis dafür kämpfen, dass im Gesamtbundesrat zukünftig jedes Politikfeld der Schweiz – gerade auch die Finanzplatz- und die Aussenwirtschaftspolitik, die ihm wohl näher liegen – auf ihre Auswirkungen auf die globale nachhaltige Entwicklung geprüft wird. Das verlangt die vor zwei Jahren verabschiedete UNO-Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für die nachhaltige Entwicklung (sustainable development goals SDG), welche die Schweizer Diplomatie in der Vorbereitung stark mitgeprägt hat. Mitte nächstes Jahr wird die Schweiz vor der UNO über ihre Fortschritte bei der Umsetzung dieser Agenda berichten müssen. Bisher sind die eidgenössischen Fortschritte sehr überblickbar geblieben. Das kann und muss Cassis ändern.

Privatsektoreinbindung mit Vorsicht

Vorsicht ist indes dort geboten, wo die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung öffentlich-private Partnerschaften bewirbt. Joint Ventures zwischen staatlichen Stellen und privatwirtschaftlichen Grossunternehmen können dort, wo keine Privatisierung von öffentlichen Gütern wie Bildung, Gesundheit oder Wasserversorgung droht, Sinn machen. Sie sind aber kein Ersatz für eine Entwicklungszusammenarbeit, die keinen Profit abwerfen muss und oft auf die politische Stärkung unterprivilegierter Bevölkerungsteile abstellt. Ob die auch international zu beobachtende Tendenz, staatliche Entwicklungsgelder zu missbrauchen, um die Risiken privater Investoren abzusichern, für bessere Entwicklung sorgt, sollte bezweifelt werden. Denn sie birgt Gefahren, die noch zuwenig erforscht sind und darum nach klaren Richtlinien verlangt. Al lavoro, Signor Cassis!