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Mehr erreichen mit weniger Geld?
30.03.2016, Entwicklungsfinanzierung
Der Bundesrat preist den langfristigen strategischen Nutzen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) als wichtiges Mittel gegen Armut, Fluchtursachen und Terrorismus. Es bleibt sein Geheimnis, wieso er just dort massive Einsparungen vorsieht.
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Im November gab der Bundesrat sein Stabilisierungsprogramm 2017-2020 in die Vernehmlassung. Die geplanten Sparmassnahmen sind massiv, sie treffen jedoch überproportional die internationale Zusammenarbeit. So soll dieser wichtige Aufgabenbereich rund ein Viertel der Einsparungen tragen. Absolute Kürzungen im Vergleich zum Budget 2015 sind nur hier und in der Landwirtschaft vorgesehen.
Mit den vorgesehen Kürzungen soll der Anteil der internationalen Zusammenarbeit an den gesamten Bundesausgaben bis 2019 von 5.5% auf 4.9% sinken. Der Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (aide publique au développement, APD) am Bruttonationaleinkommen (BNE) soll bis 2020 jeweils 0.48% betragen. Damit hält sich der Bundesrat nicht mehr an den Beschluss des Parlaments, diese Quote bei 0.5% zu halten. Und entfernt sich immer weiter vom Ziel, diese auf 0.7% zu erhöhen. 2015 bekräftigte er im Rahmen der Uno-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dieses Ziel gleich zweimal. Das ist umso stossender, als sich bereits 2014 der Anteil entwicklungswirksamer APD nur noch auf 0.41% des BNE belief. Denn als APD angerechnet werden auch die Kosten der Hilfe an Asylsuchende im Inland, Rückkehrhilfen durch das Staatssekretariat für Migration (SEM), Ausgaben für die internationale Klimafinanzierung (siehe dazu auch S. 10) und friedensfördernde Massnahmen des Verteidigungsministeriums.
In der Darstellung der Rahmenkredite für die internationale Zusammenarbeit geht der Bundesrat jeweils vom Vergleichsjahr 2016 aus. Hier wurde das Budget für die internationale Zusammenarbeit jedoch bereits massiv gekürzt, um über 115 Millionen Schweizer Franken. Ein Teil des in der Botschaft dargestellten Wachstums ist also blosses Wiederaufstocken auf den status quo ante. Als aussagekräftiges Vergleichsjahr sollte also das Jahr 2015 herangezogen werden. Die neuen Kredite sind jedoch nicht direkt mit jenen von 2013-16 vergleichbar, da Personal- und Sachkosten neuerdings separat ausgewiesen werden. Auch ist zu berücksichtigen, dass in der IZA-Botschaft 2017-20 neu auch der Rahmenkredit Friedensförderung und menschliche Sicherheit figuriert.
Und: Im Stabilisierungsprogramm hat der Bundesrat bereits angekündigt, dass es 2018 allenfalls eine weitere Sparrunde brauchen wird. Davon könnten die Ausgaben für die internationale Zusammenarbeit erneut betroffen sein.
Die neue Botschaft über die internationale Zusammenarbeit ist aber nicht nur von Kürzungen geprägt, sondern auch von Verschiebungen innerhalb der Rahmenkredite. Der Bundesrat geht zu Recht von einem wachsenden Bedarf an humanitärer Krisenhilfe aus und teilt diesem Rahmenkredit bereits ab 2017 wieder wachsende Finanzmittel zu. Damit gehen die Kürzungen bei der APD jedoch zwangsläufig auf Kosten der langfristigen bilateralen EZA. Deren Mittel werden voraussichtlich selbst 2020 nicht wieder das Niveau von 2015 erreichen.
Allerdings kann nur die über den Südkredit finanzierte langfristige Entwicklungszusammenarbeit die strukturellen Ursachen von Armut und Not bearbeiten und der Prävention von Krisen und Konflikten dienen. Humanitäre Nothilfe hingegen ist in erster Linie reaktiv. So verlegt sich der Bundesrat in der internationalen Zusammenarbeit also zunehmend auf reaktive Aktivitäten, statt vorausschauend in die Prävention möglicher zukünftiger Krisen zu investieren.
Angesichts der Budgetkürzungen tut sich das Aussenministerium schwer, strategische Schwerpunkte zu setzen. Im Gegenteil, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) versucht, die Kürzungen möglichst linear umzusetzen – also pro bisheriges Programmland einfach ein bisschen weniger Mittel einzusetzen. Aus Sicht von Alliance Sud ist der Hauptgrund für diese Verzettelung, dass die Schweiz mit Entwicklungsgeldern in möglichst vielen Ländern präsent sein will, um auch aussenpolitische und wirtschaftliche Interessen zu bedienen. Nur riskiert die Schweiz damit, jeweils mit einem minimalen Budget zwar die Präsenz aufrechtzuerhalten, aber als kleiner Akteur keine grosse Rolle spielen zu können.
Inhaltlich setzt die neue Botschaft für die internationale Zusammenarbeit auf Kontinuität. Oberstes Ziel bleibt die Armutsbekämpfung. Die regionale Schwerpunktsetzung auf das südliche Afrika, wo 34 der 48 ärmsten Länder liegen, ist demnach sinnvoll und zeigt auf, dass die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auch willens ist, die strukturellen Ursachen von Armut anzugehen. Ebenfalls zu begrüssen ist die Ausrichtung der Botschaft an der letzten September verabschiedeten UNO-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie soll als Referenzrahmen für die internationale Zusammenarbeit der Schweiz dienen. In der Tat: Armutsbekämpfung kann nur gelingen, wenn alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbezogen werden.
Gleichzeitig verstärken die vorgesehenen Sparmassnahmen aber einen bereits bestehenden Trend, den Alliance Sud als problematisch einschätzt. Die Botschaft will die Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und die Förderung von sogenannten Public Private Partnerships (PPP) intensivieren. Der öffentliche Beitrag soll jeweils die Risiken und Kosten privater Investitionen schmälern und sie so wirtschaftlich lebensfähig und profitabel machen – auf die Gefahr hin, dass letztlich private Investitionen, die sowieso stattgefunden hätten, staatlich subventioniert werden.
Dabei ist der armutsreduzierende Effekt solcher Partnerschaften umstritten. Verschiedene Studien zeigen auf, dass PPP aufgrund ihrer Komplexität und hohen Transaktionskosten den Staat oft teurer zu stehen kommen als selber durchgeführte Projekte. Auch gibt es kaum Hinweise, dass PPP tatsächlich die Effizienz erhöhen. Mangelnde Transparenz und Rechenschaftspflicht untergraben zudem die demokratische Kontrolle.1 Die internationale Zusammenarbeit und insbesondere die langfristig angelegte Entwicklungszusammenarbeit mit ärmeren Ländern sind keineswegs nur Ausdruck von Solidarität. Sie dienen auch dem Interesse unseres kleinen und international stark vernetzten Landes an einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Welt in Sicherheit und Frieden.
1 Maria José Romero: What lies beneath? A critical assessment of public private partnerships and their impact on sustainable development, 2015. Abrufbar unter http://www.eurodad.org/whatliesbeneath