Global, Meinung

Militärcoup im Ständerat bedroht menschliche Sicherheit

21.06.2024, Entwicklungsfinanzierung

Wir sind ein wenig erschrocken bei der genauen Lektüre der IZA-Botschaft 2025 – 2028, als wir über ein Detail gestolpert sind. Der grosse Schock kam dann aber Anfangs Juni, als die IZA auch im Rahmen der Armeebotschaft im Ständerat ins Visier geriet

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Militärcoup im Ständerat bedroht menschliche Sicherheit

© Parlamentsdienste / Franca Pedrazzetti

Es war ja bekannt, dass die Landesregierung die Unterstützung der Ukraine vollständig auf Kosten des Globalen Südens finanzieren will, die Ursache des leichten Schreckens bei der Lektüre der IZA-Botschaft, war deshalb nur ein vielsagendes Detail. Zum Rückgang der APD-Quote (auch das wussten wir leider schon) schrieb er in der deutschen Version: «Dies ist darauf zurückzuführen, dass das BNE [Red: das Bruttonationaleinkommen, d. h. die Wirtschaft] aufgrund der finanziellen Massnahmen im Zusammenhang mit der Schuldenbremse stärker gewachsen ist als die der IZA zugewiesenen Mittel.» Waaas? Kann es sein, dass die ganze Welt, die es sich leisten kann, bei Finanzkrisen und Epidemien Schulden macht, um die Wirtschaft anzukurbeln, und man in Bundesbern denkt, die Reduktion der Staatschulden durch die Schuldenbremse würde zu Wirtschaftswachstum führen? Aber dann kam die Entwarnung, es war nur ein Übersetzungsfehler aus der französischen Version.

Sehr fest erschrocken sind wir dann am 3. Juni, als wir die Ständeratsdebatte verfolgten. Zuerst wurde ein Antrag abgelehnt, der die von der bürgerlichen Männermehrheit (es sind grösstenteils Männer) unbedingt gewollte Erhöhung der Armeeausgaben bis 2030 wenigstens ausserordentlich und kombiniert mit der ausserordentlichen Finanzierung der Ukraine-Hilfe gebracht hätte. Aber gleich danach beschloss diese Mehrheit, das Armeebudget für den Waffeneinkauf um vier Milliarden zu erhöhen und dafür im Gegenzug die Entwicklungszusammenarbeit um zwei Milliarden zu kürzen. Ein Frontalangriff auf die IZA! (Ein ärgerliches Detail an der auf diese Art und in diesem Ausmass einmaligen Verknüpfung zwischen Armee und internationaler Zusammenarbeit ist, dass einem ständig militärische Metaphern einfallen…)

Dies, obwohl selbst das neu geschaffene Staatssekretariat für Sicherheitspolitik sagt: «Eine direkte militärische Bedrohung durch einen Angriff auf die Schweiz zu Land oder aus der Luft ist kurz- und mittelfristig unwahrscheinlich.» Hingegen hätten sich die Bedrohungen etwa durch Cyberangriffe verschärft. Vergessen oder nie zur Kenntnis genommen worden ist, was der Bundesrat im sicherheitspolitischen Bericht schreibt: «Sie [die Aussenpolitik] trägt zur Stärkung internationaler Sicherheit und Stabilität bei, indem sie gute Dienste anbietet, Beiträge zur Friedensförderung leistet, sich für Völkerrecht, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte einsetzt, die Ursachen von Instabilität und Konflikten mit der Entwicklungszusammenarbeit bekämpft und mit humanitärer Hilfe zur Linderung der Not der Zivilbevölkerung beiträgt.» Dass sogar der Begriff der menschlichen Sicherheit bei der Ständeratsmehrheit angekommen wäre, ist hingegen wirklich zu viel verlangt.  

Doch noch ist die Schlacht um die Rettung der IZA nicht verloren, der Gegenangriff läuft und wir kapitulieren nicht! Bitte entschuldigen Sie die militärischen Metaphern.

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