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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
Freihandelsabkommen mit Thailand
21.03.2025, Handel und Investitionen
Das Freihandelsabkommen mit Thailand sieht vorerst keine Stärkung der Rechte an geistigem Eigentum für Medikamente und Saatgut vor, was aus entwicklungspolitischer Sicht eine gute Nachricht ist. Doch die Folgenabschätzung zur nachhaltigen Entwicklung, übrigens die erste ihrer Art, verfehlt ihr Ziel.
Bäuerin bei der Ernte im nordthailändischen Chiang Mai, das unter schweren Umweltschäden leidet. Hier wurde wiederholt gegen Freihandelsabkommen protestiert. © Philippe Lissac/Godong/Panos Pictures
Mit grossem Pomp wurde am 23. Januar am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten (Schweiz, Norwegen, Island, Liechtenstein) und Thailand unterzeichnet. Nach schier endlosen Verhandlungen – sie wurden vor 20 Jahren aufgenommen, waren jedoch zwischenzeitlich ausgesetzt worden – konnte nun der Text vorgestellt werden. Dieser lässt erkennen, dass die Verhandlungen für die EFTA schwieriger waren als erwartet: In Bezug auf die Stärkung der Rechte an geistigem Eigentum – einem Schweizer Lieblingsthema – wurde kaum etwas Zählbares erreicht. Zumindest noch nicht.
Im Bereich der Arzneimittel konnte sich Thailand erfolgreich gegen verschärfte Bestimmungen (im Fachjargon TRIPS+ genannt, da sie über das TRIPS-Abkommen der WTO hinausgehen) wehren. Diese hätten die Herstellung und Vermarktung von Generika langwieriger und teurer gemacht. Bangkok wollte seine Pharmaindustrie, in der Generika den Löwenanteil ausmachen, nicht gefährden. Die Pharmabranche wird für die nationale Wirtschaft immer wichtiger und soll bis 2029 auf ein Umsatzvolumen von 2,5 Milliarden US-Dollar anwachsen. Momentan ist sie vor allem auf den lokalen Markt ausgerichtet und hilft so mit, das Recht der Bevölkerung auf Gesundheit zu sichern. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen; hat die Schweiz doch erreicht, dass Details rund um die Zulassung von Generika in einem Jahr erneut diskutiert werden (Datenexklusivität).
Thailand konnte sich auch wirksam gegen die übliche, von der Schweiz unterstützte Forderung der EFTA schützen, die Verpflichtung zum Beitritt zu UPOV 91 in den Text aufzunehmen. Dieses Abkommen «privatisiert» Saatgut und Pflanzenzüchtungen und macht es für die Bäuerinnen und Bauern schwierig bis unmöglich, diese frei zu nutzen und zu tauschen, wie sie es immer getan haben. UPOV 91 beinhaltet die Verpflichtung, das Saatgut von privaten Saatgutfirmen wie der chinesisch-schweizerischen Syngenta zu erwerben.
Die 25 Millionen thailändischen Kleinbäuerinnen und -bauern haben stark gegen Freihandelsabkommen mobilisiert. Bisher mit Erfolg: 2006 trotzten 10’000 von ihnen der Polizei und versammelten sich vor dem Ort, an dem die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit den USA (die auch den Beitritt zu UPOV forderten) stattfanden – und brachten sie zum Scheitern. 2013 wurde in Chang Mai gegen die Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) protestiert. Diese waren ebenfalls ausgesetzt, wurden jedoch wieder aufgenommen und sollen bis Ende 2025 abgeschlossen werden.
Weder die USA noch die EU, die traditionellen Konkurrenten der Schweiz, haben bislang ein Freihandelsabkommen mit Thailand unterzeichnet. Die EFTA ist ihnen hier zuvorgekommen. Es ist daher erfreulich, dass dieses Abkommen keinen Beitritt zum UPOV-Übereinkommen vorsieht. Andernfalls hätte sich Bangkok gezwungen gesehen, seine Gesetzgebung zugunsten der multinationalen Konzerne zu ändern. Stattdessen bleibt der Plant Variety Protection Act, der 1999 als Gegenentwurf zu UPOV 91 erlassen wurde, weiterhin gültig. Er ermöglicht thailändischen Bäuerinnen und Bauern die Wiederverwendung und das Tauschen von Saatgut, wenn auch unter bestimmten Bedingungen. Zu begrüssen ist auch der im Freihandelsabkommen vorgesehene Schutz der genetischen Ressourcen und des traditionellen Wissens der indigenen Bevölkerung und der Kleinbäuerinnen und -bauern.
Was das Kapitel über die nachhaltige Entwicklung betrifft, so ist dieses ausführlich gehalten und sieht die Einsetzung eines Expert:innengremiums im Konfliktfall vor. Auch wenn diese Neuerung zu begrüssen ist, bedauert Alliance Sud nach wie vor, dass Streitigkeiten über dieses Kapitel nicht wie die meisten anderen Kapitel des Abkommens einem Schiedsverfahren unterstellt sind.
Kurz vor Abschluss der Verhandlungen gab das Staatssekretariat für Wirtschaft eine Ex-ante-Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Impact Assessment, SIA) in Auftrag, wie es in einem Postulat der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates gefordert worden war.
Alliance Sud und Public Eye haben die Schweiz seit Jahren nachdrücklich aufgefordert, solche Folgenabschätzungen durchzuführen, und sind daher erfreut, dass endlich eine Analyse auf dem Tisch liegt. Bedauerlicherweise kam sie jedoch zu spät, so dass ihre Ergebnisse nicht in die Verhandlungen einbezogen werden konnten. Man kann sich daher zu Recht fragen, worin ihr Nutzen besteht.
Die Studie benennt weder die Gewinner:innen und Verlierer:innen des Abkommens eindeutig, noch verweist sie explizit auf die Umweltrisiken. Ausserdem wurde die Gelegenheit verpasst, Massnahmen zur Verringerung identifizierter Risiken vorzuschlagen, beispielsweise bei der Geflügelzucht, die zur Entwaldung beiträgt. Im Freihandelsabkommen mit Indonesien wurde genau dies gemacht, indem ein besonderer Mechanismus eingefügt wurde, um nachhaltig produziertes Palmöl mit niedrigeren Zöllen zu «belohnen».
Der Ball liegt nun beim Parlament. Es ist seine Aufgabe, Klarheit zu verlangen und die Behebung dieser methodischen Verzerrungen zu fordern, wenn künftig weitere Freihandelsabkommen ausgehandelt werden.
Alliance Sud fordert die Schweiz auf, die Studie zurückzuziehen, bis sie einem Peer-Review unterzogen wurde und die wissenschaftlichen Kriterien in diesem Bereich zu erfüllen vermag.
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