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Freihandelsabkommen mit Thailand
Nachhaltigkeitsprüfung verfehlt das Ziel
23.01.2025, Handel und Investitionen
Kurz vor Abschluss der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen mit Thailand führte das SECO die erste Ex-ante-Nachhaltigkeitsstudie durch. Diese ist leider zu allgemein gehalten, weist methodische Verzerrungen auf und identifiziert weder die Risikosektoren deutlich genug, noch schlägt sie konkrete Lösungen vor, um auf die identifizierten Risiken zu reagieren. Alliance Sud und Public Eye haben die Studie analysiert.
Das Freihandelsabkommen (FHA) zwischen den Ländern der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), der auch die Schweiz angehört, und Thailand wurde heute in Davos am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) mit grossem Pomp unterzeichnet. Kurz vor Abschluss der Verhandlungen hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine ex-ante-Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Impact Assessment - SIA) in Auftrag gegeben, wie es ein Postulat der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates gefordert hatte.
Alliance Sud und Public Eye hatten die Schweiz seit Jahren nachdrücklich aufgefordert, solche Folgenabschätzungen durchzuführen, und freuen sich daher, dass endlich eine entsprechende Analyse durchgeführt wurde. Es ist allerdings bedauerlich, dass sie so spät zustande kam, so dass ihre Ergebnisse nicht mehr in die Verhandlungen einfliessen konnten und man sich berechtigterweise fragen kann, wozu sie eigentlich dienlich sein soll.
Analyse identifiziert zahlreiche Mängel
Alliance Sud und Public Eye haben die Handels- und Menschenrechtsexpertin Caroline Dommen mit der Analyse der Studie beauftragt. Die erfahrene Beraterin hatte für Alliance Sud bereits eine Pilotstudie über die Auswirkungen des Freihandelsabkommens mit den Mercosur-Staaten durchgeführt. Diese sollte zeigen, dass es eine Methodik gibt, und hatte sich auf einige Menschenrechte konzentriert, die durch das Abkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit verletzt würden (Rechte auf Gesundheit, Umweltauswirkungen, Rechte von Kleinbäuerinnen, Kleinbauern und indigenen Gemeinschaften, Frauenrechte usw.).
Im Falle des SIA des Abkommens mit Thailand bemängelt die Analyse insbesondere einen zu hohen Grad an Abstraktion und die Tatsache, dass die wirtschaftliche Analyse getrennt von der Nachhaltigkeitsanalyse durchgeführt wurde. Stattdessen hätten Schlüsselaspekte der Nachhaltigkeit identifiziert werden sollen, auf die man sich hätte konzentrieren müssen.
Auch das Risikoniveau wurde nicht ausreichend analysiert, so dass die Studie zu oft den Eindruck erweckt, als diene sie der Rechtfertigung des EFTA-Verhandlungsmandats, also beispielsweise zur Stärkung der geistigen Eigentumsrechte auf Arzneimittel.
SECO-Studie sollte aus dem Verkehr gezogen werden
Die Studie identifiziert auch nicht klar die Gewinner:innen und Verlierer:innen des Abkommens oder die Risiken, die es für den Umweltschutz mit sich bringt. Sie verpasst ausserdem die Gelegenheit, Massnahmen zur Verringerung dieser Risiken vorzuschlagen. Wenn ein Sektor als risikoreich identifiziert wird – wie etwa die durch die Geflügelzucht verursachte Entwaldung –, gibt die Studie zudem keine Hinweise auf die zu ergreifenden Massnahmen. Dies hatte die Schweiz im Freihandelsabkommen mit Indonesien noch getan, als ein besonderer Mechanismus etabliert wurde, um nachhaltig produziertes Palmöl mit niedrigeren Zöllen zu «belohnen».
Generell würde man gerne wissen, welche Sektoren am meisten gefährdet sind (zum Beispiel Fischerei oder Geflügelindustrie), was das SECO/die EFTA zu tun gedenkt, um die Risiken zu minimieren und welche konkreten Massnahmen in Betracht gezogen werden. Der Ball liegt nun beim Schweizer Parlament: Es ist seine Aufgabe, Klarstellungen zu verlangen und zu fordern, dass diese methodischen Verzerrungen behoben werden, wenn in Zukunft weitere Freihandelsabkommen ausgehandelt werden.
Alliance Sud und Public Eye fordern die Schweiz und die EFTA auf, die Studie aus dem Verkehr zu ziehen, bis sie einem Peer-Review unterzogen wurde und wissenschaftlichen Kriterien genügt.