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Meinung
Freihandelsabkommen mit Indien: Welches Risiko entsteht für Generika und Saatgut?
23.01.2024, Handel und Investitionen
Wirtschaftsminister Guy Parmelin gab am Sonntag bekannt, dass er mit Indien eine grundsätzliche Einigung über den Abschluss eines Freihandelsabkommens erzielt habe. Über dieses wurde seit 16 Jahren verhandelt. Ohne weitere Details zu nennen, versicherte er, dass sich die beiden Parteien auch beim grössten Zankapfel, dem Patentschutz, geeinigt hätten.
Es ist nicht bekannt, was diese Vereinbarung genau beinhaltet: Die Verhandlungen sind geheim und noch nicht abgeschlossen. Alliance Sud und indische Organisationen wie das Third World Network (TWN) sind allerdings beunruhigt. Bisher hat die indische Regierung immer beteuert, dass sie die Rechte an geistigem Eigentum (im Jargon TRIPS+ genannt) in Freihandelsabkommen nicht stärken will. Es ist aber gut möglich, dass die Schweiz TRIPS+-Bestimmungen als Bedingung für den Abschluss des Freihandelsabkommens gefordert hat. Somit ist zu befürchten, dass solche Bestimmungen in den endgültigen Text aufgenommen werden könnten.
Aus Sicht des Rechts auf Gesundheit wäre dies gravierend: Indien ist der weltweit grösste Hersteller von Generika, die in den Globalen Süden exportiert werden. Nach geltendem Recht und wie im TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) festgehalten, beträgt die Laufzeit von Patenten 20 Jahre ab dem Anmeldetag. Das Freihandelsabkommen könnte eine Verlängerung der Patentlaufzeit über 20 Jahre hinaus vorsehen, wodurch sich die Markteinführung von Generika verzögern würde.
Ausserdem sieht das derzeitige indische Gesetz keine Datenexklusivität vor. Das bedeutet, dass ein Medikament jederzeit zugelassen werden kann, egal ob es sich um ein neues Produkt oder um ein Produkt handelt, das irgendwo auf der Welt zugelassen wurde. Das Freihandelsabkommen könnte Indien dazu zwingen, sein Gesetz zu ändern, um die Datenexklusivität einzuführen, was die Markteinführung von Generika ebenfalls verzögern würde.
Schliesslich erteilt Indien im Rahmen des derzeitigen Systems keine Patente für die neue Verwendung eines bekannten Moleküls (Evergreening). Das Freihandelsabkommen könnte von Indien verlangen, eine solche Verpflichtung einzuführen.
Wenn das Abkommen diese Bestimmungen enthält, wird Indien das Patentgesetz ändern und die darin vorgesehene Flexibilität einschränken müssen. Dies wäre ein Präzedenzfall auch in den laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten.
Ein weiteres Problem könnte sich mit Blick auf das Saatgut ergeben. Normalerweise verlangt die Schweiz von den Ländern im Globalen Süden, mit denen sie Freihandelsabkommen aushandelt, dass sie UPOV 91 beitreten. Dieses Übereinkommen privatisiert das Saatgut, so dass es für Bäuer:innen schwieriger wird, es wiederzuverwenden und zu tauschen. Sollte sich diese Bestimmung auch im Abkommen mit Indien wiederfinden, würde dies das Recht auf Nahrung von Kleinbäuer:innen gefährden, die sich patentiertes Saatgut nicht leisten können oder wollen.
Alliance Sud fordert den Bund auf, den Schleier über diese Verhandlungen zu lüften: Das Recht auf Gesundheit der indischen Bevölkerung und der Zugang zu Saatgut dürfen nicht gefährdet werden, insbesondere für die verletzlichsten Menschen.