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Meinung
Eine verletzliche Welt
23.03.2020, Entwicklungsfinanzierung
Die Ausbreitung des Coronavirus stellt die Welt vor enorme Herausforderungen. Dasselbe gilt schon seit Jahren für die Klimakrise. Was auf den globalen Süden und die Entwicklungszusammenarbeit zukommt, lässt sich in ersten Umrissen erkennen.
von Mark Herkenrath, ehemaliger Geschäftsleiter Alliance Sud
Das Gleichgewicht auf unserem Planeten ist fragil, unsere Welt ist verletzlich geworden. Die verheerenden Folgen des Klimawandels zeigen immer deutlicher, dass nationale Grenzen keinen Schutz vor globalen Problemen bieten. In den reichen Industrieländern, wo der weltweite Temperaturanstieg weniger unmittelbaren Schaden anrichtet als in vielen Entwicklungsländern, werden seine Auswirkungen jedoch weiterhin allzu oft kleingeredet. Es gibt zu wenig technische und finanzielle Unterstützung für besonders verwundbare Länder des globalen Südens, und was bezahlt wird, kommt in der Regel aus den knappen Budgets der Entwicklungszusammenarbeit. Das geht auf Kosten der genauso dringend notwendigen Unterstützung bei der Armutsreduktion, der Stärkung der Zivilgesellschaft, der Frauenförderung, dem Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens.
Die rasche Ausbreitung des neuen Coronavirus über sämtliche Kontinente hinweg lässt sich weniger leicht ignorieren als der Klimawandel. Er löst auch Ängste über eine Abkühlung der Weltkonjunktur aus. Die Folgen für die Entwicklungsländer sind noch kaum abzuschätzen. Gerade die ärmsten Länder Afrikas, die in engstem wirtschaftlichem Austausch mit China stehen, sind gegen Epidemien äusserst schlecht gewappnet, ebenso gegen deren Wirtschaftsfolgen. Die Weltbank, die ihre gemeinsame Frühlingstagung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im April erstmals per Videokonferenz durchführen wird, hat den Schwellen- und Entwicklungsländern Anfang März 12 Milliarden US-Dollar Hilfskredite für den Kampf gegen das Coronavirus versprochen. Allerdings soll nur die Hälfte des Geldes der Stärkung der Gesundheitssysteme und dem Schutz der Bevölkerung zugutekommen. Die andere Hälfte wird über die Finanzkorporation IFC, den Privatsektor-Arm der Weltbank, bereitgestellt. Er ist für Unternehmen reserviert, die wegen der Epidemie wirtschaftliche Einbussen erfahren könnten.
Das Coronavirus wird mit Sicherheit auch ein Thema sein, wenn das Parlament demnächst über die Strategie und Finanzierung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit für die nächsten vier Jahre debattiert. Rechtspopulistische Kräfte werden sich voraussichtlich noch penetranter als sonst für Kürzungen bei den Rahmenkrediten der internationalen Zusammenarbeit aussprechen – wohl auch mit dem Argument, das Geld für die Entwicklungshilfe werde jetzt dringend benötigt, um die Schweizer Wirtschaft vor den finanziellen Folgen des neuen Virus zu schützen. Aufgeklärtere Kräfte werden betonen, dass jetzt erst recht ein hohes Mass an internationaler Solidarität gefragt ist und unsere verletzliche Welt eine umso stärkere grenzübergreifende Zusammenarbeit braucht. Hoffentlich wird sich die Mehrheit diesen progressiven Stimmen anschliessen.