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Die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen

08.12.2020, Internationale Zusammenarbeit

Mit dem Volksmehr auf ihrer Seite darf sich die einmalig breite KVI-Koalition aus 130 Organisationen der Zivilgesellschaft durchaus als Gewinnerin fühlen.

Die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen

© Chris Stowers / Panos

Ob sich die Konzernlobby richtig freuen kann über ihren knappen Abstimmungserfolg, der nur dank dem verpassten Ständemehr, vor allem aber dank einer beispiellosen Angstmacher-Kampagne zustande gekommen ist? Fakt ist: Eine Mehrheit von 50,7 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten hat «Ja» gestimmt. Sie widersetzte sich jenen Kräften, die jahrzehntelang glaubten, die Schweizer Politik in ihrem Interesse steuern zu können, dabei aber die Rechte der Menschen und die Umwelt im globalen Süden grosszügig ignorierten.

Die Niederlage der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) an der Urne ist zu akzeptieren, und doch ist klar festzuhalten: Mit dem Volksmehr auf ihrer Seite darf sich die einmalig breite KVI-Koalition aus 130 Organisationen der Zivilgesellschaft durchaus als Gewinnerin fühlen. Noch nie wurde auf allen denkbaren medialen Kanälen so intensiv über Fragen der globalen Verantwortung der Schweiz und ihres Geschäftsmodells diskutiert. Noch nie standen economiesuisse, SwissHoldings, der Gewerbeverband und auch der Bauernverband mit ihren Argumenten dermassen im Gegenwind. Diese Kräfte, denen Machterhalt und Profit offenbar wichtiger sind als die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in Entwicklungsländern, konnten ihre Deutungshoheit nur mit zweifelhaften Mitteln durchsetzen.

Eine Mehrheit der Stimmberechtigten in den Städten und in der lateinischen Schweiz war nicht bereit, sich von einer mit Unwahrheiten und Verdrehungen gespickten Kampagne vorgaukeln zu lassen, was verantwortungsvolles Unternehmertum bedeutet. Auch viele weitsichtige UnternehmerInnen und InvestorInnen haben die harte, kompromisslose Haltung der Manager alter Schule zurückgewiesen, deren ParteigängerInnen hinterfragt und einen anderen, nachhaltigen Weg für die Wirtschaft aufgezeigt.

Mit dem Ausgang der Abstimmung vom 29. November tritt der von economiesuisse und Bundesrätin Karin Keller-Sutter ins Spiel gebrachte indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Was ihm insbesondere fehlt, ist eine sektorübergreifende Sorgfaltspflicht und ein Haftungsmechanismus, der Unternehmen mit Menschenrechts- und Umweltrisiken in ihren Geschäftsbeziehungen dazu bringen würde, diese Risiken ernsthaft zu evaluieren und anzugehen. Stattdessen werden wir jetzt Berichte zu lesen bekommen, die ausgewählte Massnahmen im Bereich sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit dokumentieren. Doch wir wissen, Papier ist geduldig; es wird weiterhin Konzerne geben, die diese Berichterstattung als reine Alibiübung erledigen, ohne dass dies für sie Konsequenzen hätte.

Soviel ist klar: Die KVI-Koalition, die Alliance Sud von Anfang an mitgeprägt hat, wird auch in Zukunft genau hinschauen. Sie wird die Wirtschaft in die Verantwortung nehmen, den dringend notwendigen Schweizer Beitrag zur globalen nachhaltigen Entwicklung zu unterstützen.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.