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«Die Konzern-Initiative ist entwicklungsfördernd»

02.11.2020, Internationale Zusammenarbeit,

Ist die Konzernverantwortungsinitiative auch gut und gerecht für die Bevölkerung in Entwicklungsländern? Eindeutig ja, sagen 15 renommierte EntwicklungsökonomInnen aus der ganzen Schweiz. Lesen Sie hier ihre Stellungnahme.

«Die Konzern-Initiative ist entwicklungsfördernd»

Am 29. November wird über die Eidgenössische Volksinitiative  «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» (kurz: Konzernverantwortungsinitiative) abgestimmt. Bei dieser von einer breiten Koalition aus Politik, Wirtschaft und Schweizer Hilfswerken unterstützten Initiative geht es darum, dass Konzerne mit Sitz in der Schweiz verpflichtet werden sollen, auch bei ihrer Tätigkeit im Ausland grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten.

Als Professorinnen und Professoren der Entwicklungsökonomie an verschiedenen Schweizer Universitäten beschäftigen wir uns regelmässig mit der Bedeutung der Wirtschaft für die Entwicklung in den armen Ländern dieser Welt. Da die entwicklungspolitische Wirksamkeit der Initiative zunehmend in den Fokus der Diskussion gerät, möchten wir unsere Expertise in diesen Diskurs einbringen. Unter uns besteht der folgende Konsens:

  • Die Privatwirtschaft ist ein entscheidender Motor der Entwicklung und der Armutsbekämpfung – aber nur, wenn dabei grundlegende Menschenrechte wie der Schutz von Leib und Leben gewährleistet sind und keine groben Verletzungen des natürlichen Lebensumfelds damit einhergehen, die die zukünftigen Einkommensmöglichkeiten der Menschen erheblich beeinträchtigen.
  • Ohne klare Haftungsregeln werden immer wieder einzelne Unternehmen mit ihrer Tätigkeit grossen entwicklungspolitischen Schaden anrichten, insbesondere dann, wenn ihre Machtposition im betroffenen Land gross und die Regierung schwach ist.
  • Die Konzernverantwortungsinitiative ist für die grosse Zahl von Schweizer Unternehmenförderlich, die internationale Menschenrechts- und Umweltstandards schon jetzt respektieren. Sie sorgt nämlich für die Einhaltung dieser elementaren Spielregeln durch alle Schweizer Unternehmen. Sie schafft also faire Wettbewerbsbedingungen, indem diejenigen, die ihrer Sorgfaltspflicht in dieser Hinsicht nicht genüge tun, für nachweisbar von ihnen verursachte Schäden auch haften müssen. Dies ist auch ein Grund, warum viele Schweizer Unternehmen die Initiative aktiv unterstützen.
  • Die Konzernverantwortungsinitiative trägt zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit bei. Die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit dürfen nicht durch Interessen einzelner Unternehmen ausgehebelt werden. Schweizer Steuergelder, die für Projekte zur Armutsbekämpfung und Umweltschutz in Entwicklungsländern eingesetzt werden, können nur wenig Wirkung erzielen, wenn Projekterfolge durch die unverantwortliche Tätigkeit einzelner Schweizer Unternehmen sogleich wieder in Frage gestellt werden. Auch der Bundesrat identifiziert in seiner laufenden Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit der Schweiz Handlungsbedarfbezüglich der Kohärenz zwischen Unternehmensverantwortung und Entwicklungszielen.
  • Schon kleine, kostengünstige Massnahmen können in Entwicklungsländern teilweise erhebliche Verbesserungen der sozialen und Umweltsituation erzielen. Angesichts der hohen Kosten einer Standortverlegung ist daher nicht mit einem Rückzug von Schweizer Konzernen aus Entwicklungsländern zu rechnen, wenn sie durch die Konzernverantwortungsinitiative angehalten werden, solche Massnahmen umzusetzen. Zu rechnen ist vielmehr damit, dass diejenigen Unternehmen, die sich bisher tatsächlich schwerwiegende Verstösse gegen Menschenrechte und Umweltstandards zuschulden kommen lassen, zukünftig gewisse Anpassungen vornehmen werden, um zumindest den Minimalkriterien gerecht zu werden. Oft ist ein Weggang der Unternehmen im Übrigen auch deswegen nicht möglich, weil die betriebliche Tätigkeit an die Gewinnung lokaler Rohstoffe gebunden ist. Somit ist nicht mit einem Verlust an Arbeitsplätzen zurechnen, sondern mit der Verbesserung der derzeitigen Umwelt- und Arbeitssituation in den betroffenen Ländern.
    Wir sind daher der Überzeugung, dass die Konzernverantwortungsinitiative ein geeignetes Instrument ist, um sicherzustellen, dass Aktivitäten von Schweizer Unternehmen in Entwicklungsländern entwicklungsfördernd und nicht entwicklungshemmend wirken. Sie unterstützt zudem die Wirksamkeit der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit. Und sie lässt «Swissness» zum Label für verantwortungsvolles Unternehmertum werden.

Prof. Julia Cajal Grossi, The Graduate Institute Geneva
Prof. Gilles Carbonnier, The Graduate Institute Geneva
Prof. Lorenzo Casaburi, Universität Zürich
Prof. Nicolas Depetris Chauvin, HEG Genève
Prof. Christelle Dumas, Université de Fribourg
Prof. Günther Fink, Universität Basel
Prof. Charles Gottlieb, Universität St. Gallen
Prof. Isabel Günther, ETH Zürich
Prof. Roland Hodler, Universität St. Gallen
Prof. Guilherme Lichand, Universität Zürich
Prof. Jérémy Lucchetti, Université de Genève
Prof. Katharina Michaelowa, Universität Zürich
Prof. Ugo Panizza, The Graduate Institute Geneva
Prof. Dina Pomeranz, Universität Zürich
Prof. Lore Vandewalle, The Graduate Institute Geneva