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Bei den Reichen lernt man Sparen
03.10.2016, Entwicklungsfinanzierung
Das Finanzdepartement meldet regelmässig Haushaltsüberschüsse, doch der Entwicklungszusammenarbeit soll es erneut an den Kragen gehen. Ausgeblendet bleibt, dass die Schweiz im Vergleich bei Verschuldung und Steuerbelastung Tiefstwerte aufweist.
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
Im Mai 2016 verabschiedete der Bundesrat das Stabilisierungsprogramm 2017-2019. Im Herbst wird es im Ständerat diskutiert. Die Sparmassnahmen betreffen die internationale Zusammenarbeit (IZA) überproportional. Diese soll rund 25% der Einsparungen tragen. Konkret sind das Sparschnitte von 150-250 Millionen Franken pro Jahr. Ausserdem gehört die IZA zu den ganz wenigen Bereichen, bei denen nicht nur relativ zum provisorischen Finanzplan gespart wird, sondern absolute Kürzungen stattfinden.
Gegenüber der bisherigen Planung reduziert das Stabilisierungsprogramm die Bundesausgaben insgesamt um jährlich 800 Millionen bis 1 Milliarde Franken. Wegen der starken Aufwertung des Schweizer Frankens und − das Wirtschaftswachstums hat sich verlangsamt − schrumpfenden Einnahmen seien Anpassungen notwendig, um die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Einnahmeseitig will der Bund allerdings auf Massnahmen verzichten, neue Steuern oder Abgaben sind kein Thema.
Als Hauptargument für die asymmetrische Lastenverteilung der Sparmassnahmen auf Kosten der IZA wird angeführt, diese habe in den letzten Jahren von einem überproportionalen Wachstum profitiert. Dieses Wachstum war allerdings die Folge eines strategischen Entscheids beider Kammern des Parlaments, den Anteil der Entwicklungszusammenarbeit auf 0.5% der Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Kurz, die rein buchhalterische Begründung für die massiven Einschnitte verkennt das langfristige Interesse der Schweiz an einer sozial, ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Welt.
In seiner Botschaft zum Stabilisierungsprogramm behauptet der Bundesrat, die IZA gehöre «weiterhin zu den am stärksten wachsenden Bereichen innerhalb des Bundes» (Bundesblatt 2016: 4717). Da im Budget 2016 massiv gekürzt wurde, handelt es sich bei diesem Wachstum jedoch zum grössten Teil um eine Wiederaufstockung auf das Ausgabenniveau von 2015. Während die IZA 2015 noch einen Anteil von 5.5% am Gesamthaushalt betrug, wird dieser Anteil bis 2019 auf 4.9% schrumpfen.
Steuerausfälle durch USR III erhöhen Spardruck
Neue oder höhere Steuern schliesst der Bundesrat explizit aus. Mit der Unternehmenssteuerreform III (USR III) werden die Einnahmen ab 2019 nochmals massiv sinken. In seinem Vorschlag der USR III rechnet der Bundesrat vor, dass dem Bund 1.3 Milliarden Franken an Einnahmen entgehen werden. Trotzdem verzichtet er auf eine Gegenfinanzierung, z.B. über eine Finanztransaktionssteuer. Und das Parlament hat die USR III zugunsten der Unternehmen noch weiter ausgebaut. Die Auswirkungen sind schwer zu beziffern, sie werden aber voraussichtlich zu massiven zusätzlichen Steuerausfällen bei Bund, Kantonen und Gemeinden führen.
Der Fokus auf steuerliche Anreize im Standortwettbewerb irritiert. In seinem Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2015 sagt der Bundesrat selber, dass bei der Wahl des Unternehmensstandorts die Steuerbelastung nur ein Faktor unter vielen sei. Mindestens ebenso wichtig sind Faktoren wie die Infrastruktur, das Bildungsniveau, Forschung, der Zugang zu ausländischen Märkten und die politische Stabilität des Umfelds.
Umverteilen zulasten der Ärmsten
Im Juni 2016 kündigte Finanzminister Maurer jedoch bereits ein zweites Sparpaket 2018-2020 an. Der Staatshaushalt soll um weitere 3 Milliarden Franken entlastet werden. Neben den Entscheiden zur USR III erhöht auch das Festhalten am Zahlungsrahmen für die Armee den Ruf nach Sparmassnahmen in anderen Bereichen. Um das Budget wieder ins Gleichgewicht zu bringen, folgt reflexartig der Griff in die Kasse der sogenannten ungebundenen Ausgaben. Im Gegensatz zu den gebundenen Ausgaben folgen diese nicht direkt aus gesetzlichen Bestimmungen. Besonders betroffen ist dabei erneut die Entwicklungszusammenarbeit, deren Lobby in Bundesbern vergleichsweise schwach ist. Und die Einschnitte wirken sich vermeintlich weit weg aus, fern von potenziellen Wählerinnen und Wählern.
Längerfristig holen uns die Auswirkungen der Sparübungen auf dem Buckel der Ärmsten jedoch in der Schweiz wieder ein. Es fehlen die Mittel im Kampf gegen die Ursachen von Terror, Konflikten und Armut. Und die Möglichkeiten, via Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag an die Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Migration zu leisten, werden zur Unzeit eingeschränkt.
Kaum gestellt, geschweige denn wirklich beantwortet wird die Frage, wie gut begründet, wie notwendig diese massiven Sparübungen im Bundesbudget tatsächlich sind. Immerhin präsentierte der Bundesrat in den letzten Jahren jeweils Rekordüberschüsse. So resultierte zuletzt bei der Staatsrechnung 2015 ein Überschuss von 2.3 Milliarden Franken, weit über den budgetierten 400 Millionen Franken. Auch die Juni-Hochrechnung für 2016 des EFD geht von einem 1.7 Milliarden Franken Überschuss aus. Zwar ist dieses Ergebnis hauptsächlich speziellen Umständen wie den Negativzinsen geschuldet. Da Unternehmen ihre Steuern verstärkt im Voraus bezahlen, liegen die Einnahmen weit über dem Budget. Das um diese Sonderfaktoren bereinigte Finanzierungsergebnis liegt mit -0.1 Milliarden Franken zwar einiges tiefer, aber immer noch wesentlich über dem budgetierten Defizit von 0.5 Milliarden.
Auch im internationalen Vergleich präsentieren sich die öffentlichen Finanzen in der Schweiz überdurchschnittlich gut. So lag die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte 2015 bei sehr tiefen 34.4%, deutlich unter dem Durchschnitt der Länder des Euroraums (94.1% des BIP). Auch bezüglich Steuerbelastung weist die Schweiz Tiefstwerte auf. Die Fiskalquote liegt mit 27% wesentlich unter dem OECD-Durchschnitt von 34.4%.
Angesichts dieser Fakten drängt sich der Schluss auf, dass der Bundesrat mit schlechten Prognosen ganz bewusst den Anschein von Spardruck erweckt. Zwar verschlechterten sich zuletzt die globalen und nationalen Wirtschaftsaussichten. Gemäss Prognosen der Expertengruppe des Bundes wird die Schweizer Wirtschaft aber auch 2017 real um 1.8% wachsen. Es ist ein Armutszeugnis für die reiche und im Vergleich mit Nachbarstaaten wirtschaftlich sehr gut dastehende Schweiz, den Rotstift bei den Ärmsten in den Entwicklungsländern anzusetzen.