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25 Jahre Freihandel reichen uns!
25.03.2019, Handel und Investitionen
Die neu gegründete Plattform "America latina mejor sin TLC" wehrt sich gegen neue Freihandels- und Investitionsverträge. Und die Auswirklungen bestehender Abkommen sollen untersucht werden.
«25 Jahre Freihandel sind genug! Vor zehn Jahren haben wir uns erfolgreich gegen die geplante kontinentale Freihandelszone Free Trade Area of the Americas (FTAA) gestellt, aber heute gehen die neuen Freihandelsabkommen (FHA) in die gleiche Richtung wie damals die FTAA!». So lässt sich die Forderung lateinamerikanischer NGOs zusammenfassen, die am 27. November in Buenos Aires die Plattform „Lateinamerika besser ohne Freihandelszone“ gegründet haben. Und weiter: «In Lateinamerika sind 95 Prozent des intraregionalen Handels bereits liberalisiert. Warum verhandeln die Regierungen also weiterhin über FHA? Weil sich die neuen Abkommen mit Fragen befassen, die über die Grenzen hinausgehen und die Entscheidungsbefugnis der Staaten betreffen. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Mechanismus zur Vereinheitlichung von Regeln. Er besteht darin, nationale Rechtsvorschriften kompatibel und homogen zu machen, um den Dialog mit dem Privatsektor zu ermöglichen. Dabei gewähren diese regulatorischen Fragen den ausländischen multinationalen Unternehmen exorbitante Privilegien!».
Demonstrationen gegen die G20
Die Plattform der Freihandelsgegner aus sozialen Organisationen, Gewerkschaften, Frauen- und Jugendverbänden lancierte ihren Appell nicht irgendwo, sondern in den Räumlichkeiten des argentinischen Senats. «Nur im Dialog können wir die Freihandelsabkommen in Frage stellen, dazu gehört auch der Raum für Diskussionen mit den Parlamenten», sagte Luciana Ghiotto vom argentinischen Zusammenschluss. Zwei Senatoren waren anwesend, um die Plattform zu unterstützen – Fernando Solanas, Vorsitzender des Umweltausschusses, sowie aus Patagonien Magdalena Odarda, die Vorsitzende des Ausschusses für indigene Völker, die sich namentlich über die sich immer mehr ausbreitende Bergbauindustrie in Lateinamerika besorgt zeigte. «Wir sind gegen alle Freihandelsabkommen, weil sie die Umwelt zerstören und die Regulierungskapazität der Staaten einschränken. Es gibt keine guten oder weniger schlechte Abkommen!», präzisierte Luciana Ghiotto.
Die Lancierung der Plattform fand im Rahmen der Aktionswoche gegen die G20 statt, mit der gegen das erstmals in Lateinamerika angesetzte Treffen der Staats- und Regierungschefs protestiert wurde. An der Universität und auf der Plaza del Congreso vor dem argentinischen Parlament, wo die TeilnehmerInnen dem teils sintflutartigen Regen unter Plastikfolien trotzten, fanden Workshops gegen Freihandel und die Bergbauindustrie statt. Am 30. November gipfelte die Mobisierung in einer Grossdemonstration von Zehntausenden, an der Spitze des Umzugs marschierten ein Vertreterin der Grossmütter der Plaza de Mayo und Perez Esquivel, der 89jährige Überlebende der argentinischen Militärdiktatur und Friedensnobelpreisträger. So kämpferisch die skandierten Parolen und die Atmosphäre waren, so friedlich verlief der Massenprotest durch die Strassen von Buenos Aires letztlich.
Skepsis gegenüber Nafta
«Der erste unterzeichnete Vertrag, der allen anderen die Tür öffnete, war das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta)», erläuterte Alberto Arrojo von der mexikanischen NGO INAI. «Heute hat Mexiko Freihandelsabkommen mit mehr als 50 Ländern. Als Teil der Nafta-Neuverhandlung war Donald Trump bereit, das Investor-Staat Streitbeilegungsverfahren (ISDS) fallen zu lassen, aber Mexiko bat darum, es zu behalten, es ist absurd! So wird es zwar für Mexiko gelten, aber nicht für Kanada. Das neue Kapitel zum Arbeitsrecht bringt wenig, denn es ist nicht verbindlich, es sind nur Empfehlungen. Das Kapitel über die Ursprungsregeln verlangt zwar eine Erhöhung der Löhne und schreibt die Gewerkschaftsfreiheit der Automobilarbeiter fest, die mit den globalen Produktionsketten verbunden sind, aber diese machen nur 2,8% der Beschäftigten des Landes aus. Darüber hinaus wird die Umsetzung von Nafta vom mexikanischen Arbeitsrecht abhängen, das derzeit reformiert wird.»
Das neue Nafta-Abkommen, das in USA-Mexiko-Kanada-Abkommen umbenannt wurde, sieht vor, dass Autos, die zu Vorzugsbedingungen in den nordamerikanischen Markt eingeführt werden, zu 40% bis 45% ihres Wertes von (mexikanischen) Arbeitnehmern produziert worden sein müssen, die mindestens 16 US-Dollar pro Stunde verdienen. Ob diese Bestimmung zu höheren Löhnen im Automobilsektor in Mexiko führen oder die Produktion zurück in die USA verlagern wird, wird sich zeigen müssen.
Bedenken rund um TPP 11
TPP 11 bezeichnet das, was von der Transpazifischen Partnerschaft nach dem Ausstieg der USA mit noch elf Mitgliedsländern übrig geblieben und am 30. Dezember 2018 in Kraft getreten ist. Ana Romero von der peruanischen NGO REDGE äusserte sich besorgt über den Druck, den ihre Regierung auf das Parlament ausübt, um TPP 11 zu ratifizieren. Auch das dortige Gesundheitsministerium befürchtet, dass der Zugang zu Medikamenten eingeschränkt wird. Der chilenische Senator Ignacio Latorre verwies ebenfalls auf die in seinem Land laufende Ratifizierung von TPP 11 und die Tatsache, dass sich die Bestimmungen des Abkommens bereits in einer ganzen Reihe neuer FHA widerspiegeln, die ausgehandelt sind oder in Verhandlung sind. Wie Alliance Sud bei den Diskussionen um das blockierte Dienstleistungsabkommen (TISA) und CETA (FHA zwischen der EU und Kanada) kritisiert hat, legen die Megadeals fest, worauf nachher nicht mehr zurückgekommen werden darf.
Die neu lancierte Plattform appelliert nicht nur an die lateinamerikanischen Regierungen, auf die Unterzeichnung von Freihandels- und Investitionsabkommen zu verzichten. Wie Alliance Sud verlangt auch sie, dass bestehenden Abkommen von unabhängigen Stellen auf ihre Folgen hin, etwa im Bereich der Menschenrechte, untersucht werden. Und unabhängig von bestehenden Vereinbarungen soll ein Bürgeraudit durchgeführt werden. Anders als in Ecuador sollen dessen Schlüsse jedoch verbindlich sein. Dort befand die unabhängige Kommission CAITISA zwar, dass Investitionsvereinbarungen schädlich seien, was die Regierung aber einfach ignorierte.