Artikel

Zeit für einen Paradigmenwechsel

13.02.2017, Finanzen und Steuern

Das klare Nein zur Unternehmensteuerreform III (USR III) ist ein Sieg der Demokratie über die Partikulärinteressen der Schweizer Steuervermeidungsindustrie, der auch international ausstrahlen wird.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

Zeit für einen Paradigmenwechsel

Das unzweideutige Resultat des Referendums stellt eine einmalige Chance für Bundesrat und Parlament dar, die Schweizer Steuerpolitik in eine neue Richtung zu lenken: Hin zu einer Politik, die einer nachhaltigen sozialen und ökologischen Entwicklung der Welt nicht mehr im Weg steht.

Die Schweizer Stimmberechtigten haben gestern Sonntag mit einer deutlichen Mehrheit von fast 60 Prozent der Stimmen die Unternehmenssteuerreform III an der Urne abgelehnt. Sie haben damit nicht nur einer dramatischen Verschärfung des innerschweizerischen Steuerwettbewerbes und damit neuen Sparrunden in den Kantonen und beim Bund eine entschiedene Absage erteilt, sondern auch die krude Ersetzung der alten Steuerprivilegien für Briefkastenfirmen und andere Statusgesellschaften durch zahlreiche neue wuchtig verworfen. Damit wird es Zeit für einen Paradigmenwechsel in der internationalen Steuerpolitik der Schweiz.

Die bestehenden Steuerprivilegien für multinational tätige Konzerne muss die Schweiz auf Grund der neuen internationalen Standards von OECD, EU und G20 auch mit dem gestrigen Nein bis spätestens 2019 abschaffen. Bundesrat und Parlament sind nun gefordert, eine neue Vorlage auszuarbeiten, die tatsächlich mehrheitsfähig ist. Für neue Steuervermeidungsinstrumente wie die zinsbereinigte Gewinnsteuer, eine viel zu lasche Patentbox oder überrissene und ungenau definierte steuerliche Abzüge für Forschung und Entwicklung wird in dieser neuen Vorlage kein Platz mehr sein, will man nicht einen neuerlichen Absturz in einem Referendum riskieren.

Aus entwicklungspolitischer Sicht muss die überarbeitete Vorlage die Risiken für Profitverschiebungen multinationaler Konzerne in die Steueroase Schweiz sehr stark reduzieren. Für Alliance Sud ist es inakzeptabel, dass Profite von in der Schweiz niedergelassenen Konzernen dem Fiskus in Entwicklungsländern entzogen und hier annähernd zum Nulltarif versteuert werden können. Länder im globalen Süden verlieren durch solche Steuervermeidungen der Konzerne jährlich hunderte Milliarden Dollar an Steuergeldern, die sie dringend für Bildung, Gesundheit und Infrastruktur brauchen. Die Schweizer Tiefsteuerpolitik widerspricht deshalb den Prinzipien der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO und den Prinzipien für Politikkohärenz in der Schweizer Aussenpolitik. Demnach sollte die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik das entwicklungspolitische Engagement der Schweiz nicht unterlaufen.

Um eine bessere Unternehmenssteuerreform aufzugleisen, die auch die Zustimmung der Stimmberechtigten findet, fordert Alliance Sud eine ausgewogenere Beteiligung aller Interessengruppen bei der Erarbeitung der neuen Vorlage. Auch Gewerkschaften, Kirchen und NGOs müssen in die Gremien, die die neue Vorlage vorbereiten, verbindlich miteinbezogen werden. Dies war bei der aktuellen Vorlage nicht der Fall und verleitete die rechte Parlamentsmehrheit dazu, die Vorlage zu einem Selbstbedienungsladen für die Steuervermeidungsindustrie umzubauen – mit den jetzt bekannten Konsequenzen an der Urne. Der Bundesrat darf das gestrige Nein zudem nicht als Rechtfertigung für neue Sparpakete im Bundesbudget missbrauchen, hat er diese doch vor der Abstimmung unter anderem mit sinkenden Steuererträgen bei der baldigen Umsetzung der USR III gerechtfertigt.

Weitere Informationen:
Dominik Gross, Steuerexperte Alliance Sud, +4178 838 40 79