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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.
Klima und Steuern
04.10.2024, Klimagerechtigkeit, Finanzen und Steuern
Ohne Verursacherprinzip ist die internationale Klimapolitik nicht finanzierbar – ohne Steuergerechtigkeit ist sie nicht zu machen. Eine kleine Welttournee mit einem ungleichen, aber vielleicht bald symbiotischen Duo.
Es leuchtet eigentlich sofort ein: Damit wir uns den Ausstieg aus den fossilen Energien ohne grosse soziale Verwerfungen leisten können, müssen wir das Geld dafür bei jener Branche eintreiben, die sich an ihnen als Erste bereichert: bei der fossilen Brennstoffindustrie. Laut Studien sind seit 1988 mehr als die Hälfte aller Emissionen weltweit auf die Förderung von fossilen Energieträgern durch nur 25 Konzerne zurückzuführen. Die Kosten, die diese Emissionen auf lange Zeit verursachen, weil sie das Klima verändern, wurden nie berappt. Gleichzeitig stiegen und stiegen die Gewinne und Dividenden jener, die mit diesen Brennstoffen geschäfteten. Dank den Preissteigerungen, die die russische Invasion in der Ukraine auslöste, kletterten die Gewinne der Öl- und Gasunternehmen im Jahr 2022 auf den Extremwert von vier Billionen Dollar.
So ist es nicht erstaunlich, dass im Kontext der dringend benötigten Klimafinanzierung für den Globalen Süden und im Sinne der Verursachergerechtigkeit die Forderung nach einer zusätzlichen Besteuerung dieser Unternehmen stärker wird. In der internationalen Zivilgesellschaft ist dieses Ziel mit dem Slogan «Make polluters pay» schon lange präsent. Eine aktuelle Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt auf, dass mit einer CO2-Abgabe auf die Förderung von Kohle, Öl und Gas, genannt Klimaschadenssteuer, in den OECD-Ländern noch in diesem Jahrzehnt 900 Milliarden Dollar für die Bewältigung der Klimakrise zur Verfügung stehen würden.
Die Forderung nach internationalen CO2-Abgaben ist fast so alt wie die Klimarahmenkonvention. Bereits 2006 forderte der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger an der Klimakonferenz eine globale CO2-Steuer. Eine konkrete Einigung war aber auf UNO-Ebene stets chancenlos. Im Hinblick auf die UNO-Verhandlungen für ein neues Klimafinanzierungsziel an der COP29 diesen November in Baku steigt aber der Druck, die verfügbaren finanziellen Mittel zu erhöhen. Diverse Akteurinnen und Länder haben deshalb in letzter Zeit internationale CO2-Abgaben oder andere Wege zur verursachergerechten Finanzierung gefordert (siehe Grafik). Die Ansätze sind sehr unterschiedlich und reichen von einer nationalen Besteuerung von Gewinnen aus der Ölförderung über freiwillige Beiträge aus der Förderindustrie bis zur juristischen Einforderung der Klimaverantwortung von Unternehmen. Alle Ansätze für internationale Abgaben erfordern jedoch politischen Willen auf nationaler Ebene. Auch die Schweiz sollte verursachergerechte Steuern bei Unternehmen erheben, die vom Geschäft mit fossilen Energieträgern profitieren, und damit ihre Beiträge an die internationale Klimafinanzierung erhöhen.
Nicht nur mit der zusätzlichen Besteuerung der Produzent:innen fossiler Brennstoffe könnten für den ökologischen Umbau unserer Gesellschaften zusätzliche Mittel mobilisiert werden, sondern auch, indem Staaten deren Konsument:innen stärker zur Kasse bitten. Soll dieser Umbau allerdings nicht nur ökologisch, sondern auch noch sozial ausgestaltet sein, ist bei der Entscheidung, welche Art von CO2-Konsumsteuer die richtige ist, einige Vorsicht geboten. In Frankreich etwa erinnert man sich ungern an die brutalen Strassenschlachten zwischen den «Gilets Jaunes» und der Polizei vor bald sechs Jahren mitten in Paris. Der Auslöser dieser Proteste war damals eine Erhöhung der Treibstoffsteuer (Ökosteuer), die Frankreichs Präsident auf jeden Liter Diesel erheben wollte, der dort aus den Zapfsäulen sprudelt. Sie hätte dem Staat gemäss dessen Berechnungen zwar 15 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen gebracht. Allerdings hätte diese Steuer alle gleichermassen zur Kasse gebeten: Reich und Arm; sowohl Menschen, die nur zum Spass mit ihrem Porsche TDI über leere französische Landstrassen rasen, wie auch solche, die jenseits der Metropolen im weitläufigen und mit dem öffentlichen Verkehr schlecht erschlossenen Frankreich im Alltag auf ihr klappriges Dieselauto angewiesen sind. So wurde die Bewegung der «Gilets Jaunes» nicht nur von Klimaleugner:innen und Autofans angetrieben, sondern auch von Leuten, denen die Dieselsteuer ihr ohnehin schon knapp bemessenes Monatsbudget gesprengt hätte. Dieser toxische Mix verlieh ihr grosse politische Kraft. Die liberale französische Regierung krebste zurück und nahm bei ihrer klimapolitischen Agenda das Tempo raus. Gleichzeitig verzichtete Präsident Macron auf die Wiedereinführung einer «Solidaritätssteuer» auf hohe Vermögen, die unter dem langjährigen sozialistischen Präsidenten François Mitterand bereits in den 1980er Jahren eingeführt worden war, von Macron allerdings als eine seiner ersten Amtshandlungen entscheidend entschärft wurde. Sie hätte den «Gilets Jaunes» womöglich ihren sozialpolitischen Wind aus den Segeln genommen.
Klima- und Steuergerechtigkeit auf Welttournee: Einige globale Ansätze und Initiativen im Überblick
(Auf Karte klicken zum Vergrössern) © Bodara / Alliance Sud
Heute steht eine stark progressive Vermögenssteuer mit sozialökologischer Dimension unter anderem bei den G20-Staaten auf der Agenda (siehe Grafik). Die NGO Oxfam International kommt in einem Bericht vom November 2023 zum Schluss, dass mit einer globalen Vermögenssteuer für alle Millionär:innen und Billionär:innen weltweit jährlich 1’700 Milliarden Dollar eingenommen werden könnten. Eine zusätzliche Strafsteuer für Investitionen in klimaschädliche Geschäfte könnte weitere 100 Milliarden einbringen. Kombiniert man diese Massnahmen mit einer Einkommenssteuer von 60% für die 1% höchsten Einkommen, kämen 6’400 Milliarden dazu. Je nach Geschäftsgang und Preisentwicklung kann auch eine Übergewinnsteuer zusätzlich massive Mehreinnahmen generieren. In den Jahren 2022 und 2023 mit ihrer hohen Inflation hätte eine solche gemäss Oxfam nochmals 941 Milliarden Dollar pro Jahr eingebracht. Mit diesen Massnahmen könnten also jährlich mindestens 9’000 Milliarden Dollar pro Jahr an zusätzlichem Steuergeld generiert werden.
Die UNO-Abteilung für ökonomische und soziale Angelegenheiten DESA («Department for Economic and Social Affairs») geht in ihrem Bericht 2024 über die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung davon aus, dass die Finanzierungs- und Investitionslücken, die in Zusammenhang mit den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 stehen, jährlich 2’500 bis 4’000 Milliarden US-Dollar betragen. Allein mit den oben genannten Instrumenten könnte die Agenda 2030 also locker bis 2030 ausfinanziert werden – von Reformen in anderen Bereichen der Entwicklungsfinanzierung gar nicht zu reden. Verursachergerecht im Sinne der internationalen Klimapolitik wäre eine globale Vermögenssteuer im Gegensatz zu Macrons Dieselsteuer allemal: Laut Oxfam waren 2019 die 1% Reichsten der Welt für 16% aller CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Sie stiessen damit gleich viel CO2 aus wie die ärmeren 66% der Weltbevölkerung, also fünf Milliarden Menschen.
Im November verhandelt die UNO-Staatengemeinschaft in Baku ein neues kollektives Finanzierungsziel zur Unterstützung der Länder im Globalen Süden bei der Bewältigung der Klimakrise. Auch hier ist die verursachergerechte Finanzierung ein Thema. Die Finanzierungslücke wächst drastisch und die finanzielle Unterstützung ist schlicht notwendig, damit die Länder im Globalen Süden sich mit klimafreundlichen Technologien weiterentwickeln und durch Anpassungsmassnahmen noch mehr Schäden und Verlusten vorbeugen können. Der Druck für ein ambitioniertes Finanzierungsziel ist entsprechend hoch und die reichen Länder sind gefordert, in den nächsten Jahren ihre Beiträge massiv zu erhöhen.
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