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Internationale Steuerpolitik
Wie Starbucks Steuerdumping betreibt
07.04.2025, Finanzen und Steuern
Eine neue internationale Studie zeigt: Starbucks nutzt ein Nachhaltigkeits-Programm für Steuervermeidung. Für solche Praktiken könnten Konzerne in der Schweiz dank der OECD-Mindeststeuer künftig sogar noch Subventionen bekommen. In Basel-Stadt und Zürich stehen die kantonalen Umsetzungen der neusten Unternehmenssteuerreform am 18. Mai an der Urne auf dem Prüfstand.

Briefkasten der Starbucks Trading Company Sarl in Lausanne. © Alliance Sud
2012 deckte die Nachrichtenagentur Reuters als Erste Steuervermeidung bei Star-bucks auf. Der Konzern gehört zu den grössten Röstern, Händlern und – wie wir alle wissen – Verkäufern von Kaffee weltweit. Er bezieht seinen Rohkaffee von 400’000 Bäuer:innen in über 40 Ländern des Globalen Südens. Der Kaffeeriese hatte mit konzerninternen Zahlungen und einem sehr komplizierten Firmengeflecht in verschiedenen Tiefsteuergebieten den Fiskus des Vereinigten Königreichs um Millionen Steuereinnahmen gebracht. Das wichtigste Rädchen in der Steuerdumping-Maschine: ein unscheinbares Handelsbüro von Starbucks mitten in Lausanne mit dem Namen «Starbucks Coffee Trading Company Sarl» (SCTC), das 2001 eröffnet wurde. Noch heute läuft der gesamte Handel von Starbucks mit Kaffee über diese Tochterfirma – das sind immerhin 3% des gesamten globalen Handels mit Kaffee. Allerdings nur virtuell: Die Kaffeebohnen selbst werden von den Plantagen in Asien, Afrika und Lateinamerika zu den Röstereien hauptsächlich in den Vereinigten Staaten, China und den Niederlanden transportiert.
Von den grossen Kaffeeröstern – also jenen Konzernen, die die grünen Kaffeebohnen von den Plantagen wegkaufen und in Röstereien zu den braunen machen, die wir aus unseren Maschinen kennen –, rösten nur noch Nestlé (ca. 10%) und JDE peets (wird u. a. als Jacobs-Kaffee verkauft) mehr als Starbucks.
Ein Fairtrade-Programm als Farce und Steuerdumping-Instrument
Drei Jahre nach Reuters publizierte die EU-Kommission dann eine Untersuchung, die unter anderem zeigte, wie genau Starbucks Gewinne aus Produktions- und Konsumländern von Starbucks zu SCTC nach Lausanne verschiebt: Indem der Konzern seine – nur virtuelle – Lieferkette auf dem Papier durch die Schweiz zieht, kann er etwa 15% des Wertes des Kaffees entweder steuerfrei oder zu minimalen Steuersätzen in der Schweiz oder in anderen Steueroasen verbuchen. Seit 2011 verbuchte der Konzern in Lausanne insgesamt 1,3 Milliarden Dollar Gewinne – dank auffällig hohen Margen aus dem internen Bohnenhandel von bis zu 18% und zu einem im internationalen Vergleich sehr niedrigen Steuersatz von heute wohl höchstens 14%. Und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass Starbucks im Kanton Waadt keine Spezialabsprachen mit der kantonalen Steuerverwaltung hat, die in der Schweiz sehr häufig sind und die Steuersätze bis auf wenige Prozentpunkte reduzieren (sogenannte Rulings). Gegenüber der EU-Kommission begründete der Konzern die hohen Margen damals mit Kosten für sein Zertifizierungsprogramm C.A.F.E. Practices. Damit wollte Starbucks seine Verantwortung für Mensch und Umwelt demonstrieren. Das Programm sollte fairen Handel mit und gute Arbeitsbedingungen von Kaffeebäuer:innen garantieren. Da sich dieses im Besitz von SCTC in Lausanne befand (und wohl bis heute befindet), konnte die Starbucks-Händlerin den Rösterei- und Verkaufsgesellschaften des Konzerns entsprechende Gebühren verrechnen.
Diese fielen so hoch aus, dass der Gewinn an den Verkaufsstellen sank und bei SCTC stieg. Ein klassischer Fall von Gewinnverschiebungen mittels Immaterialgüterrechten. Bei den Produzent:innen kam von diesen Gewinnen derweil gar nichts an. Und nicht nur das: «Reporter Brasil» enthüllte 2023, dass auf durch C.A.F.E. Practices zertifizierten Plantagen in Brasilien illegale Sklaven- und Kinderarbeit stattfindet. Subventionen für Steuervermeider?
Der neue CICTAR-Bericht zeigt jetzt: Starbucks wendet dieses «Swiss scheme» immer noch an und verschiebt so weiter Gewinne nach Lausanne. Auf der Strecke bleibt der Fiskus in den Produktionsländern und den Absatzmärkten von Starbucks. Auch mit der Einführung der neuen OECD-Mindeststeuer bleiben Schweizer Rohstoffhubs wie Waadt oder Zug für solche Steuervermeidungstricks attraktiv. Denn der OECD-Mindeststeuersatz von 15% bedeutet zwar in vielen Schweizer Kantonen eine Steuererhöhung, ist aber im internationalen Vergleich immer noch sehr tief. In vielen Ländern, nicht zuletzt im Globalen Süden, liegen die Steuersätze über 25%. Wer seine Gewinne in die Schweiz verschiebt, kann also oft locker immer noch 10% sparen. Doch damit nicht genug: Tiefsteuer-Kantone wie Zug, Basel-Stadt, Luzern oder Schaffhausen wollen die zusätzlichen Mindeststeuereinnahmen ausgerechnet wieder an jene Firmen zurückgeben, die die Mindeststeuer bezahlen. Ob Waadt solche Massnahmen auch ergreift, ist noch offen.
Abhilfe kann diesen Zuständen erstens der Bundesrat schaffen: Bisher basiert die OECD-Mindeststeuer in der Schweiz auf einem Verfassungsartikel und mehren Verordnungen des Bundesrates – ein ordentliches Gesetz fehlt nach wie vor und wie es scheint, will der Bundesrat damit so lange wie möglich zuwarten (spätestens 2028 muss er es dem Parlament vorlegen). Wenn er verhindern will, dass unethische Geschäfte und Steuertricksereien noch mit zusätzlichen Geldern aus Konzernfördertöpfen belohnt werden, sollte er sich jetzt beeilen und in diesem Gesetz solchen Praktiken einen Riegel schieben.
Kantonale Referenden gegen die OECD-Mindeststeuer-Umsetzung
Zweitens haben auch immer noch die Stimmbürger:innen das letzte Wort: In Basel-Stadt findet am 18. Mai dank einem grossen Sammel-Effort eines zivilgesellschaftlichen Komitees eine Referendums-Abstimmung über das dortige Standortförderungspaket statt, das die Antwort der Pharma-Stadt auf die Einführung der OECD-Mindeststeuer ist. Bis zu 500 Millionen Franken sollen dort jährlich in einen «Innovations»-Fonds fliessen – samt und sonders zu Gunsten von Grosskonzernen wie Roche, Novartis oder Syngenta. Auch im Kanton Zürich wird am 18. Mai über die kantonale Umsetzungsvorlage der OECD-Mindeststeuer abgestimmt. Dort wollen die linken Parteien und die Gewerkschaften eine Senkung des Gewinnsteuersatzes Richtung OECD-Minimum von 15% verhindern – bisher lagen die Sätze im Kanton deutlich darüber. Auf den Ausgang beider Abstimmungen darf man gespannt sein: Ein doppeltes Nein würde weit über die beiden Kantone hinausstrahlen und den international sowieso schwindenden Rückhalt für die missratene OECD-Mindeststeuer weiter reduzieren.
RTS-Beitrag der gemeinsamen Aktion von Alliance Sud, Public Eye und Public Services International vom 28. März 2024
Erklärvideo zu Starbucks' Steuervermeidung mit Daniel Bertossa, Generalsekretär von Public Services International: