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Steuerwettbewerb, keine nachhaltige Strategie
09.12.2020, Finanzen und Steuern
Für die globale Finanzierung der UNO-Nachhaltigkeitsziele sind die Bekämpfung unlauterer Finanzflüsse und die Ressourcenmobilisierung vor allem in Entwicklungsländern zentral.
«Die Schweiz unterstützt das breit abgestützte Finanzierungskonzept der Addis Abeba Aktionsagenda, das sowohl die Mobilisierung nationaler wie internationaler Finanzflüsse vorsieht und worin die Politikkohärenz als wichtiger Pfeiler genannt wird. Unter dem Stichwort «Leave no one behind» legt die Schweiz wie die Agenda 2030 einen Fokus auf die am stärksten benachteiligten Menschen». Das schrieb der Bundesrat 2018 in seinem Länderbericht zur Umsetzung der Agenda 2030 durch die Schweiz. Eine Antwort auf die Frage, wie die Schweiz konkret zur öffentlichen Finanzierung der UNO-Nachhaltigkeitsziele beitragen wird, die gemäss Schätzungen der UNO insgesamt einen Finanzierungsbedarf von 7000 Milliarden jährlich bis 2030 hat, blieb der Bundesrat allerdings schuldig. Man konnte seither hoffen, dass er dies im Rahmen der Erarbeitung der «Strategie nachhaltige Entwicklung» (SNE) nachholen würde. Der Anfang November publizierte Vernehmlassungstext für diese Strategie zeigt nun: Diese Hoffnungen hat der Bundesrat vollends enttäuscht.
Im Entwurf der SNE stehen exakt zwei Sätze zur Frage, was die Schweiz als weltweit wichtigster Offshore-Finanzplatz und bedeutender Sitzstaat multinationaler Konzerne im Kampf gegen entwicklungsschädigende Steuerflucht, Geldwäscherei und Korruption unternehmen könnte. Auf Seite 29 schreibt der Bundesrat: «Die Schweiz setzt sich […] für die Eindämmung illegaler Finanzflüsse ein. Sie setzt sich auf internationaler und nationaler Ebene für die Entwicklung und Umsetzung wirksamer Standards zur Erhöhung der Transparenz sowie zur Vermeidung und Bekämpfung der illegalen Tatbestände ein, die diesen Finanzflüssen zugrunde liegen.» Das ist schon alles und deutlich weniger als das, was der Bundesrat vor zwei Jahren zur Umsetzung der Agenda 2030 schrieb. Das ist aus der Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung, die nicht nur die Umsetzung der Agenda 2030 im Inland im Sinn hat, sondern auch an den globalen Einfluss des Finanz- und Handelszentrums Schweiz denkt, blanker Hohn.
Die Schweiz zieht Fluchtgelder an,…
Die Schweiz verfügt auch nach wie vor über keine Strategie, die den Abfluss von Steuermitteln aus Entwicklungsländern verhindern würde. Weiterhin entgehen diesen durch Steuerhinterziehung und Steueroptimierung Milliarden von Franken. Die Schweiz beherbergt immer noch den grössten Offshore-Finanzplatz der Welt: Ende 2019 verwalteten Schweizer Banken 25% aller weltweiten Vermögen: Gemäss den Zahlen der Schweizer Bankiervereinigung beträgt die Gesamtsumme der ausländischen Vermögen 3742,7 Milliarden Franken. Die Schweiz beherbergt als Tiefsteuergebiet für Unternehmen zudem hunderte Hauptsitze multinationaler Konzerne. Sowohl für den Abfluss von privaten Vermögen aus Entwicklungsländern als auch für Gewinnverschiebungen von Konzernen aus Produktionsländern des Südens in die Steueroasen des Nordens ist die Schweiz also prominent mitverantwortlich, da der automatische Informationsaustausch von Bankkundendaten und auch jener von Konzernbuchhaltungsdaten mit den meisten Entwicklungsländern (noch?) nicht funktioniert. Sie ist mit ihrer aktuellen Finanz- und Steuerpolitik zudem ein starker Treiber des globalen Steuerwettbewerbs, der für immer tiefere Steuersätze vor allem im Bereich der Unternehmensbesteuerung sorgt und viele Staaten zu immer weitergehenden Einschnitten in ihren Budgets zwingt. Dies bekommen wiederum die Bedürftigsten am meisten zu spüren.
… statt sie zu bekämpfen
Will die Schweiz in Zukunft ein Finanzplatz sein, dessen Geschäftsmodell den Zielen der Agenda 2030 nicht mehr zuwiderläuft, kann sie sich nicht einfach nur mit der Umsetzung der neuen Minimalstandards im Bereich der Steuertransparenz der OECD und der G20 begnügen. Sie wäre gut beraten, als prominenter «Global Player» in der Finanzindustrie vielmehr eine Vorreiterrolle für eine gerechte globale Umverteilung von privatem Reichtum und Konzernprofiten zu übernehmen. Das würde bedeuten, dass sie sich für eine wirklich globale Durchsetzung von Steuertransparenz sowohl im Bereich der Finanzkonten (verschiedene Formen des Informationsaustauschs zwischen Steuerbehörden) wie auch im Bereich der Unternehmensberichterstattung (Country-by-Country-Reporting) einsetzt. Auch die Entwicklungsländer könnten davon profitieren. Sie würden so wenigstens über einen Teil der Daten verfügen, die eine Voraussetzung dafür sind, dass Steuerbehörden den Abfluss ihrer Steuergelder in Steuerparadiese überhaupt unterbinden können. Dies wiederum ist nötig, wenn man Ländern des Südens ermöglichen will, zunehmend eigene Steuermittel für ihre nachhaltige Entwicklung zu generieren.