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Konzerne zum Coiffeur

23.03.2023, Finanzen und Steuern

Die UNO fordert angesichts der Polykrise einen «Haircut», einen Schuldenschnitt von 30%. Höchste Zeit, dass auch Schweizer Rohstoffhändler dies akzeptieren.

Andreas Missbach
Andreas Missbach

Geschäftsleiter

Konzerne zum Coiffeur

© Silke Kaiser / pixelio.de

Ein Zug rast ungebremst auf den Prellbock zu, viele stehen um die entscheidende Weiche herum, aber niemand bewegt sie, um so den katastrophalen Aufprall zu verhindern. Dieses Bild trifft ziemlich genau den aktuellen Umgang mit der Staatsverschuldung der ärmsten Länder.

Mindestens 54 Länder des Globalen Südens leiden gemäss dem UNO-Entwicklungsprogramm UNDP unter gravierenden Schuldenproblemen. Die meisten davon liegen in Subsahara-Afrika (24 Länder), gefolgt von Lateinamerika und der Karibik (10 Länder). Mehr als 50 Prozent der Menschen, die in extremer Armut leben, sind hier beheimatet. 28 dieser Staaten gehören zu den 50 am stärksten vom Klimawandel bedrohten Länder der Welt. UNDP fordert einen «Haircut», einen Schuldenschnitt von 30%.

Dabei fehlt es nicht an warnenden Stimmen. Der Chefkommentator der «Financial Times» schrieb kürzlich, es drohe eine «verlorene Dekade». Damit bezieht er sich auf die lateinamerikanische Schuldenkrise der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mit ihren dramatischen Folgen für die betroffenen Menschen. Zwar führen wie damals Zinserhöhungen im Norden zu Kapitalabfluss im Süden, es gibt aber einen grossen Unterschied. Statt Banken, die damals Staaten direkt Kredite gaben, sind es jetzt Investitionsfonds wie Blackrock, die Gelder von Pensionskassen und Privatanleger:innen in Staatsanleihen von Ländern im Globalen Süden investieren. Und es gibt einen grossen neuen Player im Spiel: China. Die Weltmacht hält gleich viel Schulden wie alle andern Gläubigerstaaten zusammen (ca. 10%). Das ist allerdings weniger als ein Viertel der Schulden gegenüber privaten Gläubigern (den Rest halten multilaterale Institutionen wie die Weltbank).

Dies führt dazu, dass sich bei Verhandlungen alle gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Der Westen beklagt die mangelnde Kooperation von China, das seinerseits den Finger darauf legt, dass die privaten Gläubiger nicht zu einem Schuldenschnitt bereit sind und die Multilateralen sowieso einen privilegierten Status geniessen, also auch nicht mitmachen.

Und welche Rolle spielt die Schweiz? Wir wissen es nicht. Es gibt keine Transparenz über die Rolle der Schweizer Investor:innen im Globalen Süden. Klar ist nur, dass es – neben China – einen weiteren neuen Akteur gibt, der mitspielt: die Schweizer Rohstoffhändler. Auch hier lüftet sich der Schleier nur selten. So legte der IWF offen, dass Tschad über eine Milliarde Dollar Schulden gegenüber Glencore hat – mehr als ein Drittel aller Schulden des Landes. Der Rohstoffmulti mit Sitz im Kanton Zug, der soeben dank seinen Kriegsprofiten den Jahresgewinn verdreifacht hat, weigerte sich standhaft, einen Schuldenschnitt zu akzeptieren. Die Schweiz steht also in der Verantwortung, Transparenz zu schaffen und dafür zu sorgen, dass ihre multinationalen Konzerne zum Coiffeur gehen und einen «Haircut» akzeptieren.