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Kolumbien beugt sich dem Druck von Novartis
05.12.2016, Handel und Investitionen
Der Druck von Novartis scheint zu wirken. Kolumbien will offenbar darauf verzichten, eine «obligatorische Lizenz» für das Anti-Krebsmittel Glivec auszustellen.
Gegenstand des Streits ist das Novartis-Medikament Glivec, das Kolumbien gerne als Generikum auf den Markt bringen möchte. Novartis wehrt sich dagegen und beruft sich auf das Investitionsschutzabkommen Schweiz-Kolumbien. Eine investigative Website hat den genauen Inhalt des Konflikts Ende November publik gemacht.
Die von Alliance Sud geäusserten Bedenken (Artikel GLOBAL+, Sommer 2016) scheinen sich zu bestätigen: Novartis will Kolumbien offenbar mit einer Klage drohen, falls dieses mit einer obligatorischen Lizenz den Weg für ein Glivec-Generikum freimacht. Eine solche würde der lokalen Pharmaindustrie erlauben, das Arzneimittel als Generikum zu 77% tieferen Kosten als Glivec zu produzieren. Aktuell kostet die Glivec-Behandlung pro Patient und Jahr in Kolumbien je nach Quelle 15‘000 bis 20'000 Dollar und wird von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge übernommen – eine schwere finanzielle Belastung für das staatliche Gesundheitsbudget. Glivec gehört zu jenen Medikamenten, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als essentiell einstuft.
Im April 2016 hatte es Verhandlungen zwischen dem kolumbianischen Gesundheitsminister Alejandro Gaviria und Novartis gegeben. Die investigative Website International Arbitration Reporter hat jetzt bekannt gemacht, dass der kolumbianische Handelsminister am 24. April von Novartis eine Notice of dispute erhalten hat, die Bezug nimmt auf das Investitionsschutzabkommen zwischen der Schweiz und Kolumbien. Wenige Tage später hatte Gaviria bekanntgegeben, dass er auf die Ausgabe der obligatorischen Lizenz verzichten wolle. Einen Monat später hiess es dann, Kolumbien wolle den Preis des Medikaments um 45% senken, worauf der Handelsminister der USA Kolumbien aufforderte, Novartis mehr Zeit für eine Antwort einzuräumen. Offenbar befürchten die USA, globaler Player auf dem Pharmamarkt, einen für ihre Industrie gefährlichen Präzedenzfall. Erst vor kurzem, am 22. November hat eine nationale Kommission in einem Rundschreiben festgehalten, es erlasse Preissenkungen für Medikamente, die von öffentlichem Interesse sind. Glivec sollte Teil davon sein, man weiss allerdings nicht, wie gross die Preisreduktion sein soll – sicher nicht 77%.
Bereits früher hatte es diplomatische Druckversuche gegeben. Im Mai 2015 hatte Livia Leu vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) einen Brief nach Kolumbien geschickt und verlangt, dass Kolumbien von seinen Plänen abrücke. Offenbar gab es auch Druck von US-Senatoren, die gar damit gedroht hätten, dass die USA ihre finanzielle Unterstützung für den Friedensprozess zurückzögen und dass Kolumbien von der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) ausgeschlossen werde.
Was Kolumbien aber offenbar am meisten fürchtet und zum Rückzug bewegt hat, ist die Drohung mit einer Klage vor einem Schiedsgericht. Soweit Alliance Sud bekannt ist, würde es sich dabei um die erste Klage handeln, die sich um den Preis bzw. die Verbilligung eines Medikaments dreht. Bemerkenswert ist, dass diese Premiere ein Abkommen der Schweiz betrifft. Die Schweiz käme wohl darum herum, wenn sie ihre Investitionsschutzabkommen endlich so anpassen würde, dass auch das Recht auf Gesundheit der Bevölkerungen berücksichtigt würde.
Für Alliance Sud sollte das aktuelle System zur Streitschlichtung zwischen Investoren und Staaten abgeschafft werden. Bei Streitfällen sollen sich ausländische Investoren an nationale Gerichte wenden, so wie es auch einheimische Investoren tun müssen. Die Tendenz geht allerdings in die gegenteilige Richtung: Die Europäische Union führt zurzeit breite Konsultationen über die Einführung einer permanenten Schlichtungsstelle.
Für mehr Informationen:
Marco Alberto Velasquez Ruiz, Instituto PENSAR, Bogotà,
Tel: +571 3208320 (Ext 5505)