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Investitionsabkommen im Gegenwind
05.01.2015, Handel und Investitionen
Immer mehr Länder kündigen ihre Investitionsabkommen. Südafrika erneuert jene Abkommen nicht mehr, die auslaufen. Darunter auch das mit der Schweiz.
«Die Zeiten ändern sich. Als wir unsere Investitionsabkommen abschlossen, waren wir der Paria der Weltgemeinschaft. Heute, da selbst die Europäer zugeben, dass es mit diesen Abkommen Probleme gibt, hoffen wir, dass andere Länder unserem Beispiel folgen», sagte Mustaqim De Gama vom südafrikanischen Departement für internationalen Handel und Investitionen am Investitionsforum der UNCTAD (UN Conference on Trade and Development) Mitte Oktober in Genf. Pretoria hat entschieden, seine 49 Investitionsabkommen wenn sie auslaufen, neu zu verhandeln.
«Der Handel und die Investitionen müssen der Industrialisierung des Landes und der Wertschöpfung bei uns dienen. Es geht nicht an, dass ausländische Investoren sich beim ersten Streik verabschieden. Sie müssen die nationalen Gesetze und Gerichte respektieren. Wir wollen kein Schiedsgericht mehr», erklärte Joanmarie Fubbs, Mitlied des ANC und Präsidentin des interparlamentarischen Handels- und Industriekomittees gegenüber GLOBAL+.
2007 hatten Investoren Südafrika bei der Ankündigung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes auf 340 Mio US-Dollar verklagt. Der Fall wurde zwar gütlich beigelegt, war für die Regenbogen-Nation aber eine kalte Dusche. «Seit wir unsere Investitionsabkommen auslaufen lassen hat kein einziger Investor Südafrika den Rücken gekehrt – im Gegenteil, die Investitionen nehmen zu. Es gibt da keinen kausalen Zusammenhang», versichert De Gama. Dabei räumt er ein, dass es nicht einfach ist, aus diesen Abkommen auszusteigen, denn sie enthalten Klauseln, die Investoren auch auf Jahre hinaus Schutz zusichert.
Indonesien, Indien und Ecuador gehören zur Bewegung
Das Bedürfnis, diese Abkommen ausgewogener zu gestalten, war verbreiteter Konsens am UNCTAD-Investitionsforum. Indonesien etwa ist daran, seine 67 Abkommen zu überprüfen. Wichtige Punkte betreffen die Fragen, inwiefern Investitionen der Entwicklung dienlich sind, wer im Streitfall zwischen Investoren und Staaten schlichet und ob die Klauseln zu Meistbegünstigung und indirekter Enteignung gerecht sind. Diese Klauseln schränken die Handhabe eines Staates stark ein, in Sachen Sozial- und Umweltstandards regulierend einzugreifen. Djakarta hat seinen Vertrag mit den Niederlanden auslaufen lassen und erwägt, dasselbe auch mit anderen Ländern zu tun.
Nachdem Indien 2009 eine erste Verurteilung erfahren hat, ist das Land ebenfalls daran, seine 90 Abkommen zu überprüfen. Auch Indiens Ziel ist es, die Schlichtung eigenen Gerichten zu überlassen.
Ecuador ist das Land, gegen das am drittmeisten Klagen angestrengt worden sind – sie belaufen sich auf Schadenersatz in der Höhe von 19 Mrd. US-Dollar. Trotz dreissig Abkommen erhält Ecuador am wenigsten Investitionen von ganz Lateinamerika, die bestehenden konzentrieren sich vor allem auf den Erdöl-Sektor, wo enorme Umweltschäden angerichtet werden. Bis heute hat Ecuador zehn Verträge beendet, bei 16 weiteren steht das bevor. 2009 hat sich Ecuador gegen die Schlichtung durch das ICSID, die Schiedsstelle der Weltbank, gewehrt und eine Bürgerkommission ins Leben gerufen, die Investitionen beobachten und überprüfen soll.
Brasilien und Deutschland sind skeptisch
Brasilien ist jenes Land in Lateinamerika, das am meisten Investitionen empfängt, hat jedoch kein einziges Investitionsabkommen. Die 14 Abkommen, die in den 1990er Jahren unterzeichnet wurden – darunter auch mit der Schweiz – sind vom Parlament nie ratifiziert worden, weil sie für verfassungswidrig gehalten wurden. Unlängst hat die Regierung eine neue Art von Abkommen vorgeschlagen, die die indirekte Enteignung ausschliessen und die Streit-schlichtung in die Hände von Herkunft- und Empfängerstaat der Investition legt.
Die deutsche Regierung will das System der Schiedsstelle ebenfalls neu regeln. Deutschland ist mit einer 4,7 Mrd US-Dollar-Klage des schwedischen Energie-Multis Vattenfall konfrontiert, nachdem es den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat. Der Vorschlag ist, dass ein Berufungs-Mechanismus und mehr Transparenz zur Schlichtung gehören sollen, dass die Richter einen Verhaltenskodex befolgen und deren Honorare begrenzt werden. Im Bundestag gibt es Widerstand gegen das Vorhaben, dass die Schlichtung Teil des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) werden soll.
Mexiko und der Privatsektor im anderen Lager
Trotz der kritischen Haltung vieler, setzen andere Entwicklungsländer nach wie vor auf Investitionsabkommen. Mexiko, das seit 2012 zu den Kapital-Exporteuren zählt, unterhält rund vierzig davon. Es hat in den letzten Jahren im Durchschnitt pro Jahr 20 Mrd. US-Dollar an Investitionen erhalten. Zwar wurde Mexiko 15 Mal auf insgesamt 266 Mio. US-Dollar verklagt, unter dem Strich hält es die Bilanz jedoch für positiv. Das erstaunt nicht, denn der Privatsektor verteidigt das Abkommen und die Streitschlichtung mit Zähnen und Klauen. Das Business and Industry Advisory Committee der OECD stellt fest, dass von den 586 bekannten Fällen 274 (43%) zugunsten der Regierungen, 90 (31%) zugunsten der klagenden Unternehmen entschieden wurden. Die verbleibenden 26% der Fälle konnten einvernehmlich beigelegt werden. Die NGO erwidern darauf, dass es die Regierungen aus Angst vor Klagen vorziehen, nicht zu regulieren. Komme dazu, dass in den beigelegten Fällen die Regierungen meist weitreichende Konzessionen gemacht hätten. Und: Viele Streitfälle sind gar nicht öffentlich geworden.
Nötig ist mehr Transparenz bei der Schlichtung. Die Intransparenz des Streitschlichtungsverfahrens zwischen Investor und Staat könnte durch neue Regeln verbessert werden, die für Investitionsabkommen gelten, die nach dem 1. April 2014 in Kraft treten. Aufgestellt werden sie von der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Die rund 3000 früher geschlossenen Abkommen werden den neuen Regeln automatisch unterworfen, wenn sich Staaten der neuen UN-Konvention über die Transparenz in der Streitschlichtung anschliessen. Diese kann ab März 2015 unterzeichnet werden.
Die Schweiz bewegt sich (zu langsam). Das Abkommen zwischen der Schweiz und Südafrika ist am 31. Oktober 2014 ausgelaufen. Während zwanzig Jahren bleiben jedoch Schutzklauseln in Kraft. Bis heute wurde kein anderes Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz gekündigt. Bern will die neue UN-Konvention über die Transparenz in der Streitschlichtung unterzeichnen. Alliance Sud begrüsst das und drängt darauf, keine Vorbehalte anzubringen. Am besten wäre es, die Streitschlichtung würde den Herkunfts- und Empfängerstaaten oder Gerichten im Empfängerstaat überlassen. Die Schweiz sollte in Zukunft auf die Klausel verzichten, die über den Ablauf eines Vertrags hinausreichen. Verzichten oder stark abzuschwächen sind auch die Klauseln über die indirekte Enteignung und die gerechte und faire Behandlung.