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Ein (zu) kleiner Schritt
21.07.2015, Entwicklungsfinanzierung
Nach der Konferenz ist vor der Konferenz. Eva Schmassmann über das magere Ergebnis der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung vom Juli 2015 in Addis Abeba. Und die Aussichten für die nachhaltigen Entwicklungsziele.
von Eva Schmassmann, ehemalige Fachverantwortliche «Politik der Entwicklungszusammenarbeit»
«Wir sind die erste Generation, die der Armut ein Ende setzen kann, und die letzte, die die schlimmsten Folgen des Klimawandels abwehren kann.» Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon wird nicht müde, mit diesen Worten auf die Chance und die Dringlichkeit hinzuweisen, mit der wir konfrontiert sind. Die internationale Staatengemeinschaft hat dieses Jahr die Gelegenheit, an drei Konferenzen Ban Ki-moons Appell Folge zu leisten. Letzte Woche fand in Addis Abeba die dritte internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung statt. Im September sollen in New York die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung verabschiedet werden, und im Dezember findet der Klimagipfel in Paris statt.
Die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) sollen die dieses Jahr auslaufenden Millennium-Entwicklungsziele ablösen. Die SDG sind ein ambitioniertes Rahmenwerk, um die Welt bis 2030 in eine nachhaltige Zukunft zu führen. Dazu gehört unter anderem die Ausrottung extremer Armut, der Schutz und Erhalt unserer Ökosysteme, aber auch der Wandel hin zu nachhaltigen Produktions- und Konsumstrukturen. Die Entwicklungsländer konnten sich mit ihrer Forderung durchsetzen, bereits vor der Verabschiedung der SDG durch die Uno-Generalversammlung über die Finanzierung dieser globalen Agenda zu diskutieren. Denn, soweit sind sich alle einig, zur Erreichung der SDG werden enorme Summen Geld benötigt.
Das Gastgeberland der Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, Äthiopien, ist selbst eines der ärmsten Länder der Welt, das vor kapitalen Herausforderungen steht. Rund zwei Drittel der Bevölkerung muss mit täglich weniger als zwei US-Dollar überleben. Analphabetenrate und Kindersterblichkeit sind enorm hoch. Die Konferenz in Addis Abeba hatte sich nicht das Ziel gesetzt, eine konkrete Summe Geld zu sprechen. Denn Geld allein reicht nicht, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Die Konferenz sollte vielmehr aufzeigen, welche Voraussetzungen es für nachhaltige Entwicklung braucht. Eine zentrale Rolle spielen dabei Änderungen im internationalen Finanzsystem, um bestehende Geldflüsse für die Entwicklung verfüg- und nutzbar zu machen. Doch just hier hat es die Konferenz verpasst, notwendige strukturelle Änderungen voranzutreiben.
Noch immer fliessen mehr Gelder vom globalen Süden in den Norden als umgekehrt. Laut einem Uno-Bericht verliert Afrika jährlich rund 50 Milliarden US-Dollar durch unlautere Finanzflüsse. Das ist doppelt so viel, wie der Kontinent jährlich an Entwicklungsgeldern erhält. Die Datenlage ist allerdings schwach und es ist anzunehmen, dass die Finanzabflüsse sogar weit grösser sind.
Eine zentrale Forderung von Alliance Sud ist darum, diese unlauteren Finanzflüsse wirksam zu bekämpfen, zu verhindern, dass unversteuerte oder illegal erworbene Vermögen in ausländische Steueroasen verfrachtet werden. Dafür braucht es die enge Zusammenarbeit zwischen Herkunfts- und Zielländern der dubiosen Gelder. Bis heute werden die Regeln für internationale Steuerpolitik von den reichen Industrieländern in der OECD bestimmt. Entwicklungsländer fordern darum seit langem eine Zusammenarbeit in Steuerfragen auf Augenhöhe im Rahmen der Uno. In Addis Abeba hätte die Gelegenheit genutzt werden können, um endlich ein zwischenstaatliches Gremium für Steuerfragen zu schaffen. Dies umso mehr als die Industrieländer verlangen, dass die Entwicklungsländer vermehrt eigene Ressourcen mobilisieren, sprich die nationalen Steuereinnahmen erhöhen. Dabei sind legale Steuervermeidungspraktiken und die Steuerflucht multinationaler Firmen nachweislich die Haupthindernisse bei der einheimischen Ressourcenmobilisierung. Doch die OECD-Länder beharrten auf ihrer Machtposition und haben die Schaffung dieses neuen Gremiums bis zur letzten Minute bekämpft. Auch auf die Gefahr hin, die Konferenz scheitern zu lassen. Zum Schluss haben die Entwicklungsländer klein beigegeben und in ein Abschlussdokument ohne Steuergremium eingewilligt.
Äthiopien stand dabei besonders unter Druck – und hat den Druck afrikanischen und anderen Entwicklungsländern weitergegeben. Als Gastgeberland lag ihm daran, die Konferenz zu einem Abschluss zu bringen. Die nächsten zwei Konferenzen finden in New York und Paris statt. Wie wird es dort um die Kompromissbereitschaft des Nordens bestellt sein? Denn eines ist nach Addis Abeba klar: Ban Ki-moons Wunsch wurde (noch) nicht erfüllt. Es sind noch viele, grössere Schritte notwendig, um der Armut ein Ende zu setzen und den Klimawandel zu bekämpfen.