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Der «Gasfluch» von Mosambik

20.06.2023, Finanzen und Steuern

Mitten in der Klimakrise verwirklichen in Mosambik grosse Ölkonzerne wie TotalEnergies, einem Unternehmen mit SNB-Beteiligung, Gas-Megaprojekte. Diese Projekte schüren Konflikte und haben für die Bevölkerung keinerlei Mehrwert.

Laurent Matile
Laurent Matile

Experte für Unternehmen und Entwicklung

Der «Gasfluch» von Mosambik

Umgestürzte Stromleitungen in Macomia, im Norden Mosambiks, nach dem Wirbelsturm Kenneth im Jahr 2019.
© Tommy Trenchard/Panos Pictures

Nachdem 2010 vor der Küste der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks riesige Erdgasreserven entdeckt worden waren, begannen multinationale Öl- und Gaskonzerne gigantische Projekte für die Förderung von verflüssigtem Erdgas (LNG) zu planen. Dies ist auch dem OECD-Bericht über mobilisierte private Mittel für Entwicklungsfinanzierungsmassnahmen (Private finance mobilised by official development finance interventions, siehe auch global #89, Frühling 2023) zu entnehmen. Die Projekte umfassen insbesondere die Hochseeförderung (mit einer Rekord-Fördertiefe von 2000 m), eine Unterwasserpipeline und Verarbeitungsanlagen an Land sowie ein LNG-Exportterminal. Zwei der Mega-Projekte (Rovuma LNG und Coral South FLNG Project) sind das Ergebnis eines Joint Ventures zwischen der amerikanischen ExxonMobil, der italienischen Eni und dem chinesischen Staatsunternehmen CNPC. Hauptanteilseigner und Betreiber des Mozambique LNG Project ist das französische Unternehmen TotalEnergies; weiter beteiligt sind das japanische Unternehmen Mitsui und mosambikanische, indische und thailändische Investoren. Wohlgemerkt, die Schweizerische Nationalbank (SNB) hält derzeit Aktien von TotalEnergies im Wert von ca. 620 Mio. USD».

Gigantische öffentlich-private Finanzierungen

Die Gesamtinvestitionen in LNG-Projekte in Mosambik werden auf rund 60 Mrd. USD geschätzt, fast das Vierfache des Bruttoinlandprodukts Mosambiks. Laut der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), welche neben den hauptsächlich britischen und US-amerikanischen Exportkreditagenturen (ECA) öffentliche Finanzierung bereitstellt, handelt es sich um die bislang höchsten ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und die grösste Projektfinanzierung in Afrika. Sie sollen Mosambik zum drittgrössten LNG-Versorger der Welt machen und mehr als 67 Mrd. USD zum mosambikanischen BIP beitragen. Die Projekte sollen einerseits Gas für den Export nach Europa und Asien (insbesondere Indien und China) bereitstellen, andererseits aber auch LNG für die industrielle Entwicklung des Landes und des südlichen Afrikas liefern.

Neben Mosambik streben auch Nigeria, Ägypten, Algerien sowie der Senegal und Mauretanien eine Steigerung ihrer LNG-Exporte, insbesondere nach Europa, an. Die Verfechter von verflüssigtem Erdgas halten diese Energie für einen entscheidenden Faktor in der Energiewende, da sie 50% weniger CO2-Emissionen verursacht als die Energieerzeugung auf Kohlebasis. Im Gegensatz dazu rief die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem im Mai 2021 veröffentlichten Bericht Net Zero by 2050 dazu auf, Investitionen in die fossile Energieerzeugung sofort einzustellen, damit die weltweiten energiebedingten Kohlendioxidemissionen bis 2050 auf ein Nettonullniveau gesenkt werden können und die globale Erwärmung auf 1,5°C begrenzt werden kann.

Islamistische Aufstände und der Fluch der natürlichen Ressourcen

Die Provinz Cabo Delgado, eine der ärmsten Regionen des Landes, ist jüngst von Wirbelstürmen und Überschwemmungen heimgesucht worden, welche die Armut und Ernährungsunsicherheit weiter verschärft haben. Zudem ist sie Schauplatz eines Aufstands gegen die mosambikanische Regierung, dessen Ursachen vielfältig sind, möglicherweise aber mit dem Abbau der natürlichen Ressourcen in der Region zusammenhängen. Bewaffnete Gruppen, von denen einige Verbindungen zu Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat haben, haben unlängst gewalttätige Angriffe auf lokale Gemeinschaften, Sicherheitskräfte und die Gasinfrastruktur verübt. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden seit Beginn des Aufstands mehr als 700’000 Menschen in der Region vertrieben.

Um den vom Konflikt betroffenen Menschen zu helfen, hat die internationale Gemeinschaft humanitäre Hilfe angeboten. Im vergangenen Februar besuchte Bundespräsident Alain Berset zusammen mit seinem mosambikanischen Amtskollegen Filipe Jacinto Nyusi ein Flüchtlingslager und Projekte der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in der Provinz. Mosambik ist seit 1979 ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Die EU ihrerseits hat unter anderem ihre finanzielle Unterstützung für die in Mosambik stationierte ruandische Interventionstruppe erhöht. Damit soll sichergestellt werden, dass die Gasvorhaben so schnell wie möglich realisiert werden und die Abhängigkeit der EU von russischem Gas verringert wird.

Die Schweizerische Nationalbank: Aktionärin von TotalEnergie

Abgesehen von ihren Aktivitäten in Mosambik plant TotalEnergies den Bau einer über 1400 km langen Ölpipeline namens EACOP durch Tansania und Uganda, die die Lebensgrundlage Tausender Menschen sowie die Umwelt bedroht. An ihrer letzten Jahresversammlung forderte die Klima-Allianz, bei der Alliance Sud Mitglied ist, gemeinsam mit anderen NGOs der «SNB-Koalition» unter anderem eine Desinvestition aller fossilen Vermögenswerte und eine Anpassung der Anlage-, Geld- und Wechselkurspolitik der SNB an die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens. Vertreter:innen tansanischer NGOs forderten die SNB-Leitung auf, ihre Beteiligung an TotalEnergies sofort abzustossen. Unter den 20 grössten Schweizer Investoren von TotalEnergies stellen die UBS, die SNB und die Credit Suisse die Mehrheit. Pictet, aber auch die Zürcher Kantonalbank gehören ebenfalls zu den Aktionären.

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Die Alliance Sud-Zeitschrift zu Nord/Süd-Fragen analysiert und kommentiert die Schweizer Aussen- und Entwicklungspolitik. «global» erscheint viermal jährlich und kann kostenlos abonniert werden.