UNO-Steuerkonvention

In New York wird es auch steuerpolitisch heiss

26.07.2024, Finanzen und Steuern

Nächste Woche startet im UNO-Hauptquartier in New York die nächste Verhandlungsrunde für eine Rahmenkonvention für Steuern. Die Schweizer Konzerntiefsteuerkantone Basel-Stadt und Zug lieferten jüngst wieder neues Anschauungsmaterial, weshalb es eine wirksame Offensive seitens der UNO unbedingt braucht.

Dominik Gross
Dominik Gross

Experte für Steuer- und Finanzpolitik

In New York wird es auch steuerpolitisch heiss

Bis Mitte August ringen in New York vor allem Länder des Globalen Südens für eine starke UNO-Steuerkonvention - dies dürfte die Schweiz und andere Profiteure des bisherigen Steuersystems ins Schwitzen bringen. © KEYSTONE / SPUTNIK / Sergey Guneev

Im sogenannten “Ad Hoc Committee to Draft Terms of Reference for a United Nations Framework Convention on International Tax Cooperation” wird es in den nächsten drei Wochen darum gehen, den politischen Umfang und die Entscheidungsverfahren der neuen Steuerrahmenkonvention festzulegen. Was äusserst technisch klingt, ist politisch sehr bedeutend: Bis Mitte August müssen die Verhandler:innen klären, wieviel Macht die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), die in der internationalen Steuerpolitik seit den 1970er Jahren die multilaterale Agenda dominierte, an die UNO abgeben soll. Übernimmt die UNO künftig das Zepter in der globalen Steuerpolitik, würden die Staaten des Nordens, die die Weltwirtschaftspolitik trotz dem Aufstieg Chinas nach wie vor dominieren, in einem zentralen Bereich ihre Vormachtstellung einbüssen. Entsprechend grosser Widerstand gegen eine starke UNO-Steuerkonvention kommt aus der EU, den USA und den bisherigen Hauptprofiteur:innen im internationalen Steuersystem unter OECD-Führung: den Tiefsteuerländern für Konzerne und den grossen Finanzplätzen. Beide Geschäftsmodelle profitieren davon, dass Unternehmensgewinne und Vermögen trotz aller OECD-Reformen der letzten zehn Jahre heute dort versteuert werden können, wo die Besteuerung am tiefsten bzw. nicht vorhanden ist.

Der Süden am Drücker

Wenn multilaterale Steuerfragen in der UNO statt der OECD verhandelt werden, sind die Mehrheitsverhältnisse andere und die Länder des Südens am Drücker. Der Entwurf der “Terms of Reference” (ToRs), den das Leitungsgremium des Ad-hoc-Komitees kürzlich vorlegte, widerspiegelt dies. Der Text stellt einen direkten Bezug zwischen der Steuerkonvention und der Finanzierung der UNO-Nachhaltigkeitsziele (“Sustainable Development Goals – SDGs") her und formuliert als Ziel der Konvention unter anderem die “Schaffung eines integrativen, fairen, transparenten, effizienten, gerechten und effektiven internationalen Steuersystems für nachhaltige Entwicklung”. Dieses Ziel soll durch entsprechende Verpflichtungen der Unterzeichnerstaaten in den folgenden Bereichen erreicht werden:

  • der gerechten Verteilung der Besteuerungsrechte von multinationalen Konzernen,
  • einer effektiven Besteuerung von vermögenden Privatpersonen,
  • der Gewährleistung, dass steuerliche Maßnahmen und die generierten Steuereinnahmen zur Bewältigung von Umweltproblemen beitragen,
  • wirksame Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke
  • und wirksame Prävention und Beilegung von Steuerstreitigkeiten.

Würden es all diese Elemente in die finale Version der ToRs schaffen, könnten alle grossen gegenwärtigen Probleme der internationalen Steuerpolitik zukünftig im Rahmen der UNO adressiert werden: die Gewinnverschiebungen multinationaler Konzerne in Tiefsteuergebiete; Superreiche, die durch ausgeklügelte Konstrukte ihre Vermögen im globalen Offshoresystem dem Fiskus entziehen; die Tatsache, dass Steuern heute viel zu wenig als wirtschaftliche Steuerungsmassnahme im Rahmen der Klimapolitik eingesetzt werden; die Intransparenz in der globalen Vermögensverwaltung und die ungleichen Spiesse zwischen den Sitz-, Markt- und Produktionsstaaten multinationaler Konzerne, wenn es darum geht, Konflikte über die Frage beizulegen, wer welche Gewinne dieser Konzerne wo besteuern darf. Kein Wunder, dass die Opposition des Globalen Nordens gegen dieses Vorhaben gross ist, auch wenn sie in den seltensten Fällen wirklich explizit gemacht wird.

Unkonstruktive Schweiz

Symptomatisch für diese Verhandlungstaktik der reichen Länder, die auf Ausreden statt die explizite Darlegung und Verteidigung der eigenen Interessen setzt, ist die Stellungnahme der Schweiz zum ToR-Entwurf. Wie die meisten OECD- und EU-Länder spricht sich die Schweiz dafür aus, dass Entscheidungen im Konsens gefällt werden müssen. Nur so könnten multilaterale Reformen des internationalen Steuersystems, die im Rahmen der Konvention aufgegleist werden, in der Praxis auch umgesetzt werden. Gleichzeitig will die Schweiz – auch hier bewegt sie sich auf der Linie der OECD-Mehrheit und der EU – im Rahmen der UNO nur Dinge verhandeln, welche nicht schon bei der OECD Thema sind. Das schliesst Konzernbesteuerung, Steuertransparenz, die bessere Besteuerung von hohen Vermögen und neue Streitschlichtungsmechanismen aus. Die Schweiz spricht hier von einer Verdoppelung multinationaler Foren.

Allerdings zeigt etwa die derzeit weltweit laufende Umsetzung der OECD-Mindeststeuer deutlich, dass nur aus einer privilegierten Sicht des Nordens von “Verdoppelung” gesprochen werden kann. Für den Globalen Süden springt bei der Mindeststeuer praktisch nichts heraus: Profitieren werden von ihr ausgerechnet jene Tiefsteuergebiete, die die Schwächen des bisherigen Konzernsteuersystems so ausgenutzt haben, dass sie Gewinne bei sich versteuern konnten. Dies wohlgemerkt, ohne dass die eigentliche Wertschöpfung hinter den Gewinnen auch in ebenjenen Tiefsteuergebieten stattfinden würde. Nur wer mit den OECD-Systemen gut fährt, kann ein neues intergouvernementales Forum bei der UNO für “Duplication”, also im Grunde für überflüssig halten.

Grübeln über Blockchain statt nachhaltiger Entwicklung

Auf die Schweiz trifft das zweifellos zu. Gute Beispiele sind die Schweizer Kantone Basel-Stadt und Zug. Während in Basel Roche, Novartis und Co. dafür sorgen, dass die Gewinnsteuereinnahmen äusserst üppig sprudeln und massive Budgetüberschüsse produzieren (plus 434 Millionen CHF im 2023), tun dies in Zug (460 Millionen CHF) vor allem die Rohstoffhändler. In beiden Kantonen wird angesichts der Tatsache, dass die ansässigen Branchen vor allem im Ausland Wertschöpfung erzielen (die Medikamentenproduktion und auch ein grosser Teil der Forschung & Entwicklung finden nicht in Basel statt, Zug verfügt über keine Kupferminen oder Ölfelder), überdurchschnittlich viel Gewinnsteuersubstrat generiert. Beide rechnen damit, dass mit der Einführung der OECD-Mindeststeuer noch mehr Geld in die Kantonskassen fliesst. Schon jetzt aber scheinen die beiden Kantonsregierungen nicht mehr zu wissen, wohin mit dem ganzen Geld. Beide planen, die zusätzlichen Steuereinnahmen mittels neuer Subventionsinstrumente just an jene Konzerne zurückzugeben, die die Mindeststeuer entrichten müssen. In Basel verkauft man das unter anderem als Förderung der Gleichstellung (der Kanton will den hochprofitablen Konzernen zukünftig etwa einen Teil der Elternzeit ihrer Mitarbeiter:innen finanzieren). In Zug gibt man sich sozialpolitisch plötzlich progressiv: Der Kanton soll in den nächsten zwei Jahren für seine Einwohner:innen alle Spitalkosten übernehmen. Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Gratiszugang zu Spitzenmedizin – beides wichtige Elemente einer nachhaltigen Entwicklung. Von beidem können die Mitarbeiter:innen von Basler und Zuger Konzernen in den Medikamentenfabriken Südasiens oder in den Minen Afrikas nur träumen. Trotzdem kam in den Regierungen der beiden Luxuskantone niemand auf die Idee, die überschüssigen Steuereinnahmen in die nachhaltige Entwicklung im Globalen Süden zu investieren. Der Kanton Zug (man will dort immer noch “Cryptovalley” werden) kauft sich im benachbarten Luzern lieber noch ein ganzes Universitäts-Institut für “Blockchain”.

Von einer globalen Doppelung des Zuger Wohlstandes also keine Spur. Vielmehr folgt das OECD-Regime ganz offensichtlich dem Prinzip “wer hat, dem wird gegeben”. Allein das ist Grund genug, auf ein faires globales Steuersystem unter dem Dach der UNO hinzuarbeiten. Dass das der offiziellen Schweiz nicht gefällt, so lange sie ihr eigenes Geschäftsmodell nicht fundamental überdenkt – geschenkt.

 

 

Für weiterführende Informationen und einen Überblick über die Steuerverhandlungen innerhalb der UNO lesen Sie das Briefing-Papier von Global Policy Forum und Netzwerk Steuergerechtigkeit.