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150 Mio USD für Klima statt für Entwicklung
20.08.2020, Internationale Zusammenarbeit
Der Bundesrat hat am 19. August 2020 beschlossen, 150 Millionen US-Dollar aus dem künftigen Rahmenkredit der Entwicklungszusammenarbeit an den Grünen Klimafonds zu überweisen. Alliance Sud kritisiert diese Zweckentfremdung von Entwicklungsgeldern.
von Jürg Staudenmann, ehemaliger Fachverantwortlicher «Klima und Umwelt»
Kein Zweifel: Gerade in Entwicklungsländern werden Klimaschutz und Anpassung an die Klimaveränderung je länger desto dringender. Dafür lenkt die Schweiz ebenso dringend benötigte Entwicklungsgelder um. Das widerspricht nicht nur klar dem Pariser Klimaübereinkommen, es läuft auch den Grundätzen wirkungsvoller Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zuwider. Dabei hat Alliance Sud schon mehrfach aufgezeigt, wie bereits heute die nötigen Gelder nach dem Verursacherprinzip bereitgestellt werden könnten.
Die steigenden Kosten für dringende Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen im globalen Süden verlangen nach zusätzlichen Mitteln. Für die Wiederauffüllung des Grünen Klimafonds (Green Climate Fund), der Klimaprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern finanziert, wurde deshalb eine Verdopplung der Einlagen der Industrieländer erwartet. Während das einige Länder auch zugesagt haben, will die Schweiz ihren Beitrag nun lediglich um 50% erhöhen. Das ist knausrig und kurzsichtig.
Noch problematischer ist, dass die am 19. August vom Bundesrat gutgeheissenen 150 Millionen USD nicht zusätzlich gesprochen wurden, sondern aus der ohnehin schon zu knapp bemessenen EZA umgelenkt werden. Dieses Geld steht damit nicht mehr für die Kernaufgaben der Entwicklungszusammenarbeit – die Verringerung von Armut und Ungleichheit – zur Verfügung.
Dass Emissionsminderung und Armutsbekämpfung verschiedene Absichten und Zielgruppen haben, leuchtet ein (siehe dazu auch das Positionspapier von Alliance Sud). Denn bei den Ärmsten lassen sich kaum nennenswert Emissionen verringern. Selbst sinnvolle und wirksame Klimaanpassungsprojekte sind auf künftige Bedrohungen der Klimaveränderung ausgerichtet, nicht aber auf die unmittelbare Verbesserung der Lebensumstände der ärmsten Bevölkerung. Das jedoch ist ein Grundsatz guter Entwicklungszusammenarbeit und mithin Voraussetzung für den Einsatz von Entwicklungsgeldern. – Aus genau diesem Grund verlangt das Pariser Klimaübereinkommen „neue und zusätzliche“ Mittel.
Dass die bisherige Schweizer Klimafinanzierung in der Tat zum allergrössten Teil weder Ärmsten noch von der Klimakrise am meisten Gebeutelten zu Gute kommt, hat eine von Alliance Sud in Auftrag gegebene Studie («Der Schweizer Beitrag an die internationale Klimafinanzierung») erst kürzlich aufgezeigt.
Für Alliance Sud ist klar: Klimaschutz zu Lasten der Kernaufgabe der Entwicklungszusammenarbeit geht in die falsche Richtung! Denn es besteht durchaus die Möglichkeit, nach dem Verursacherprinzip erhobene Gelder für internationale Klimafinanzierung einzusetzen. Ein Rechtsgutachten vom Februar 2019 hat dargelegt, dass auch eine Teilzweckbindung von Klima-Lenkungsabgaben dafür sowohl verfassungskonform als auch zielführend wäre.
Alliance Sud kritisiert mit Nachdruck, dass solche Optionen bisher weder von Bundesrat noch vom Parlament in Betracht gezogen wurden. Denn internationaler Klimaschutz auf Kosten der Entwicklungszusammenarbeit zu finanzieren, ist der falsche Weg.